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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Verstecke, von denen außer ihr kaum jemand weiß.
    Und unser Herr? Ich fühle, dass er am Leben und sogar guter Dinge ist. Er wird Narváez besiegen, und seine mächtigste Waffe werden nicht Stahlklingen oder Bleikugeln, sondern die Tränen des Sonnengottes sein.
    Ich schließe meine Augen – und da erblicke ich wieder jene steinerne Kugel, die aus dem Himmel herabstürzt wie ein Unheil bringender Komet.
- 3 -
    In der Nacht wälze ich mich auf meinem Lager, mal schlaflos grübelnd, dann wieder in bestürzenden Träumen. Draußen wummern die Trommeln, gellen die Knochenflöten. Erst in der Morgendämmerung wird es ruhiger und ich sinke in unruhigen Schlaf. Doch es ist immer noch nicht richtig hell, als ich durch heftiges Poltern schon wieder geweckt werde.
    Ich fahre auf und blinzle schlaftrunken zur Tür. »Seid Ihr es, Herr?«, murmle ich, aber es ist nur einer von Alvarados Männern. Er bringt mir ein paar kalte Tortillas, einen Lederbecher und einen Krug Wasser. »Wo sind die Juans?«, frage ich ihn, noch immer nicht ganz wach. »Alvarado hat doch angeordnet, dass sie mich bewachen sollen – die Blutsäufer oder Raufbolde oder wie ihr sie nennt.«
    Der Soldat schüttelt den Kopf. »Die werden nachher da draußen gebraucht«, knurrt er, schon auf dem Rückweg zur Tür. »Cortés hatte wieder mal den richtigen Riecher«, murmelt er vor sichhin. »Er hat sich rechtzeitig aus dem Staub gemacht! Dumm nur, dass er uns hier sitzen gelassen hat.«
    Mit einem Satz springe ich aus meiner Hängematte und renne hinter ihm her. »Was sagst du da?«, schreie ich. »Du elender Verräter!« Ich packe ihn von hinten bei den Schultern, aber er wirbelt herum und schleudert mich zu Boden. »Wie kannst du es wagen«, stoße ich hervor, »unseren Herrn zu schmähen?«
    Der Soldat zuckt mit den Schultern. »Darauf kommt es jetzt nicht mehr an«, sagt er. »Wir haben keine Lebensmittel mehr und sie werden uns wohl auch keine mehr bringen. Gerade eben haben wir ein Dutzend unserer aztekischen Diener erhängt aufgefunden – und der Rest ist spurlos verschwunden. Alvarado hat Montezuma gefragt, ob er etwas von einem geplanten Aufstand weiß, aber der verdammte Oberhäuptling hat alles abgestritten. Daraufhin hat Alvarado zwei der jungen Neffen oder Söhne, die oben bei Montezuma hausen, mitgenommen und Fray Geronimo angewiesen, sie mit der Zange zu befragen.«
    »Fray Geronimo!«, wiederhole ich erschrocken.
    Der Soldat verzieht angewidert sein Gesicht. »Du hast recht, der Pater ist auf diesem Gebiet ein elender Stümper – aber Fray Bartolomé ist eben mit Cortés auf und davon! Also hat Alvarado unseren Schildkrötenmann vor die Wahl gestellt: Zwacke aus den beiden Burschen die Wahrheit heraus – oder du musst zurück auf die Pyramide und die Marienkapelle gegen die Teufelspriester verteidigen!«
    Er unterbricht sich und sieht argwöhnisch zu, wie ich mich vom Boden aufrappele. »Na, das Ergebnis kannst du dir sicher denken«, fährt er fort. »Die beiden Prinzen, oder was sie darstellen sollen, haben erst alles abgeleugnet – aber als die Stellen, an denen Fray Geronimo die Zange noch ansetzen konnte, allmählich knapp wurden, sind sie dann doch mit der Wahrheit herausgerückt.«
    Ich trete ans Fenster und schaue auf das Herz Unserer Welt hinaus. Am liebsten würde ich mir die Ohren zuhalten oder denSoldaten anschreien, dass er den Mund halten soll. Aber ich mache weder das eine noch das andere. Über der Stadt geht gerade die Sonne auf. Der Platz ist mit Pfählen übersät. Drüben vor der großen Pyramide entdecke ich eine gewaltige Bildsäule, die dort gestern noch nicht gestanden hat. Ist es die Huitzilopochtli-Statue, die sie damals auf Cortés’ Befehl weggeschafft hatten? Stimmt es also doch, frage ich mich, was die Tlaxcalteken seit Tagen behaupten?
    »Sie wollen uns überfallen, heute vor Einbruch des Abends«, sagt der Soldat in meinem Rücken. »Das Götzenfest ist die perfekte Tarnung für sie – in der Menschenmenge können sie mühelos ein paar Tausend bewaffneter Krieger verstecken!«
    »Das haben Montezumas Neffen ausgesagt?«, frage ich und krümme mich innerlich zusammen. Ich habe die beiden nur ein paarmal flüchtig gesehen, aber ich weiß, dass sie kaum älter sind als ich.
    »Ganz genau«, antwortet der Soldat. »Fray Geronimo selbst hat übersetzt, was sie endlich hervorgekeucht haben. Und nachdem der Schildkrötenmann mit ihnen fertig war, hat Alvarado sie vom dritten Stock auf den Platz hinabwerfen

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