Goldfieber
beschimpfen oder sogar zu Boden schlagen würde.
»Ich weiß so gut wie alle hier«, lenkte ich scheinbar ein, »dass Ihr nur versucht, Eure Pflicht zu erfüllen, Don Pedro. Aber ich weiß auch, dass es die vornehmste Pflicht eines Anführers ist,gerade in bedrängter Lage kaltblütig zu bleiben. Und darum bitte ich Euch von Herzen: Was auch immer Eure Angst Euch einflüstern mag – glaubt ihr kein Wort! Lasst Euch zu keinem Angriff hinreißen, der uns …«
Weiter kam ich nicht. Alvarado sprang auf und war mit wenigen Schritten bei mir. Er packte mich beim Handgelenk und zog mich hinaus auf den Flur. Zwei seiner Männer folgten uns. Einer von ihnen versetzte der Saaltür einen Tritt, dass sie krachend zuflog.
»Hör mir zu, Orteguilla!«, sagte Alvarado und sein Kinn und seine Wangen bebten. »Ich weiß, dass Cortés deine Ratschläge schätzt, aber darauf kommt es jetzt nicht an! Es steht vollkommen fest, dass die Teufelsjünger da draußen den Plan gefasst haben, uns alle ihren Satansgötzen zu opfern! Morgen Abend wollen sie ihr Götzenbild wieder auf die Pyramide schaffen – und das soll das Zeichen für ihre Krieger sein, unseren Palast anzuzünden und uns zu überwältigen, wenn wir ins Freie getaumelt kommen! Mich wollen sie an den Pfahl oben auf der Pyramide binden und alle anderen an die Pfähle auf dem Platz. Und dann wollen sie uns bei lebendigem Leib die Herzen aus der Brust reißen, einem nach dem anderen, bis keiner von uns mehr am Leben ist!«
Ich versuchte, mein Handgelenk freizubekommen, aber Alvarado hielt mich eisern fest. »Woher wollt Ihr das so genau wissen?«, fragte ich. »Doch nicht von den Tlaxcalteken?«
Unsere indianischen Verbündeten verbreiteten seit Tagen die wildesten Gerüchte, das wusste ich von Carlita. Seit Cortés davongezogen war, glaubten sie immer weniger, dass sie jemals wieder lebend aus der Stadt herauskommen würden. Andauernd erzählten sie neue Schauergeschichten, und jede von ihnen lief darauf hinaus, dass die Azteken uns abschlachten wollten.
Alvarado kniff die Augen zusammen und nickte. »Xicotencatl selbst hat mir alles erzählt«, sagte er. »Und er hat mir versichert,dass sie an unserer Seite kämpfen werden, wenn wir morgen …«
»Kämpfen?«, fiel ich ihm ins Wort. »Da draußen auf dem Platz werden sich morgen Zehntausende Azteken versammeln! Was wollt Ihr gegen die ausrichten – mit Hundert Mann?«
»Hundert von uns und Tausend Tlaxcalteken«, wandte er ein, und sein Kinn zitterte noch stärker. »Wir müssen es versuchen!«, stieß er hervor. »Wir können doch nicht einfach hier sitzen und warten, bis sie kommen, um uns das Herz herauszureißen!«
»Aber wer außer Xicotencatl sagt Euch denn, dass sie wirklich vorhaben, uns zu töten?«, rief ich aus. »Wenn sie den Palast anzünden, bringen sie doch Montezuma und die anderen Könige mit um! Außerdem wisst Ihr so gut wie ich, dass Xicotencatl die Azteken hasst und auch uns nicht über den Weg traut. Vielleicht hat er diese Geschichte ja erfunden, damit Cuitláhuacs Krieger und wir uns gegenseitig niedermachen?«
Alvarado schaute mich unsicher an, und einen Moment lang schien es mir möglich, dass er sich doch noch umbesinnen würde. Doch dann stieß er mich von sich, in die Arme seiner beiden Männer. »Sperrt ihn in seine Kammer«, befahl er, »und sorgt dafür, dass die beiden Juans – ihr wisst schon, die Blutsäufer – ihn abwechselnd bewachen. Aber sie sollen ihm kein Haar krümmen, verstanden? Außer natürlich, wenn er zu fliehen versucht.«
Sie schleppten mich hier hoch und verriegelten hinter mir die Tür. Das war gestern Mittag und seitdem sitze ich hier fest und die Angst kriecht in mir immer höher. Ich starre auf den Platz hinab und beobachte, wie die Azteken ihr grausiges Fest vorbereiten. Dann wieder setze ich mich auf die Steinbank unter dem Fenster und schreibe mit fliegenden Fingern eines dieser Blätter nach dem anderen voll. Als ob ich auf diese Weise irgendetwas aufhalten könnte! Ja, als ob auch nur ein einziges meiner kostbaren Blätter den morgigen Abend überstehen könnte, fallsXicotencatl recht hat und die Azteken wirklich unseren Palast in Brand stecken werden!
Meine letzten Gedanken aber, bevor ich an diesem Abend die Feder zur Seite lege, gelten Carlita und Cortés. Ach, meine Geliebte, wärest du jetzt bei mir! Ich hoffe so sehr, dass sie die bedrohlichen Vorzeichen rechtzeitig erkennt und sich in Sicherheit bringt. Schließlich kennt sie Geheimgänge und
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