Goldfieber
selten erstrahlt und mich jedes Mal umso mehr verzaubert.
Kann man sich in jemanden verlieben, mit dem man kaum ein Dutzend Worte zu wechseln vermag? Oh ja, das kann man – jedenfalls dann, wenn man Orteguilla de Villafuerte heißt.
Ein schauriges Stöhnen, unmittelbar vor unserer Hütte, schreckt mich aus meiner Träumerei auf. Ich öffne meine Augen – draußen zucken Blitze durch die Nacht. Ich kann sie durch die Ritzen in der Hüttenwand und durch die rissige, auf einen Holzrahmen gespannte Lederhaut sehen, die uns als Eingangstür dient.Die Blitze sind rot und blau und weiß und sie zerfetzen die Dunkelheit wie gleißende Sicheln. Auch die Schreie der Nachtvögel sind jetzt viel lauter und näher. Es klingt, als würden Scharen riesenhafter Nachtjäger über unserem Lager kreisen. Gigantische Eulen. Kolossale Uhus. Währenddessen schleichen und schlurfen die Toten – oder bösen Geister, oder was sie sein mögen – schon durch die Gassen unseres Hüttendorfs. Nach der Abendmesse hat Fray Bartolomé jede einzelne Hütte gesegnet und mit Weihwasser besprengt. Auf sein Geheiß hin haben wir alle über unseren Eingangstüren hölzerne Kruzifixe angebracht, und der Pater hat uns versichert, dass kein Zauber, keine teuflische Erscheinung in unsere geweihten Behausungen eindringen kann.
Durch das Heulen und Stöhnen, Krächzen und Winseln dort draußen höre ich nun die kräftige Stimme von Fray Bartolomé. Von allen Priestern, die unsere Expedition begleiten, genießt er das größte Vertrauen unseres Herrn. Er läutet die Glocke, er betet das Vaterunser und in allen Hütten stimmen unsere Männer murmelnd in die Anrufung des allmächtigen Schöpfers ein.
Auch ich bete die vertraute Formel mit, die mir als kleinem Knaben so häufig Trost geschenkt hat. Doch während ich noch mit gefalteten Händen in der tobenden Finsternis liege, schweifen meine Gedanken bereits zu den Ereignissen ab, über die ich morgen früh Bericht erstatten will. Und über einige weitere, die ich auf den für Cortés bestimmten Blättern keinesfalls erwähnen darf.
- 2 -
Nach viertägiger Seefahrt warfen wir an Karfreitag erneut die Anker aus, rund fünfundsiebzig Meilen nordwestlich von Potonchan. Mit zweihundert unserer Männer, darunter dreißig Artilleristen mit drei Kanonen, gingen wir an Land. Zu unserem Erstaunen bereiteten uns die Indianer einen freundlichen, ja überschwänglichen Empfang.
Die Indianer dieser Gegend nennen sich Totonaken. Auch sie leben in steinernen Städten, und eine von ihnen – die Hafenstadt Chalchicueyacan, wie sich bald herausstellte – konnten wir schon vom Meer aus sehen. Ihre Paläste und Pyramiden erheben sich inmitten einer Spirale aus gleichförmigen Bauten und Wällen, die sich wie eine zusammengerollte Schlange um den innersten Bezirk herumwinden.
Kaum hatten wir unsere Boote an Land gezogen, da erschien ein prachtvoll gekleideter Häuptling, begleitet von rund zwanzig weiteren Indianern, die gleichfalls kunstvoll angefertigte Kopfbedeckungen und Umhänge trugen. Er fiel vor unserem Herrn auf die Knie und beugte sich nach vorn, bis sein Mund den Boden berührte.
Cortés wechselte einen Blick mit Alvarado, der zusammen mit Geronimo de Aguilar bei ihm stand. Der Häuptling trug Sandalen, die mit Goldfäden geschnürt waren. Goldene Schmuckstücke hingen ihm an Ketten aus gehämmertem Gold vor der Brust. Kaum weniger üppig war sein Gefolge mit goldenem und silbernem Zierrat geschmückt.
Mit jenem fiebrigen Glitzern in den Augen ging Cortés vor dem Häuptling in die Knie und tat so, als wollte auch er die Erde küssen. Dann erhoben sich beide fast gleichzeitig und das breite Gesicht des Totonaken-Häuptlings strahlte.
Er stieß einen Wortschwall hervor und gestikulierte. Er wirkte begeistert und gerührt, doch als Cortés erwartungsvoll zu Aguilar hinübersah, zuckte der mit den Schultern.
»Er spricht Nahuatl, die Sprache der Mexika-Völker«, sagte der Tätowierte. »So viel vermag ich zu hören, aber ich selbst kann Nahuatl weder sprechen noch verstehen.«
Alvarado durchbohrte ihn mit seinen Blicken, als wäre es Aguilars Schuld, dass er bei den Maya statt bei den Totonaken gestrandet war. Doch unser Herr hatte wie immer alles vorausbedacht.
Er wandte sich um und winkte mich zu sich her. »Lass dich zur Santa Maria zurückbringen, Orteguilla«, sagte er, »und hole Malinali. Außerdem diese Kleine – Carapitzli, du weißt schon«, fügte er hinzu, ganz so, als wäre ihm diese Idee
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