Goldfieber
ihrer Sandale im Laub am Wegrand herum und scharrte einen seltsamen kleinen Gegenstand frei. Mit dem Fuß schob sie ihn näher zu mir heran und bedeutete mir durch Gesten, dass ich das Ding keinesfalls berühren sollte. Aber das hätte ich auch so bestimmt nicht gemacht.
Ich beugte mich nur kurz darüber und drehte mich gleich wieder weg. Es waren einfach zwei Knochen, zu einem diagonalen Kreuz zusammengebunden, mit Lumpen- und Pflanzenfetzenumwickelt und mit reichlich Blut bespritzt. Doch etwas Dämonisches ging von diesem Zauberding aus, eine Bosheit, die ich körperlich spüren konnte.
Mit ihrer Sandalenspitze schob Carlita das Zauberding unter das Laub am Wegrand zurück. Sie schaute mich an und sagte etwas in ihrer Sprache, aber natürlich verstand ich kein Wort. Meine Nahuatl-Kenntnisse hatten heute gute Fortschritte gemacht, doch in dem, was sie nun zu mir sagte, kam keines der Wörter, die sie mir beigebracht hatte, vor. Weder Mädchen und Junge noch Mund und Küssen oder gar Liebe .
Sie sah traurig und wütend aus, und ich spürte, dass sie schon früher einmal schmerzliche Erfahrungen mit Zauberdingern wie diesem hier gemacht haben musste.
- 7 -
Schon am nächsten Tag erschien Sturmbezwinger erneut in unserem Lager. Diesmal wurde der Totonake von zwanzig Indianern begleitet, die allesamt so prächtig gekleidet waren und so sorgenvoll dreinschauten wie er selbst.
»Teudile ist nach Cuetlaxtlan zurückgekehrt«, erklärte er, nachdem er vor Cortés die Erde geküsst hatte. »Und Montezumas Abgesandter Cuitlalpitoc befindet sich auf dem Rückweg nach Tenochtitlan. Aber hütet Euch vor den Dienern, die er Euch scheinbar großzügig überlassen hat«, fügte Sturmbezwinger hinzu und schaute verstohlen nach links und rechts. »Der größte Teil von ihnen sind Spione, die Teudile über alles unterrichten sollen, was in Eurem Lager vor sich geht. Und der Rest von ihnen sind Zauberer, die den Auftrag haben, Euch mithilfe der Geister zu vertreiben, Herr. Falls Ihr nicht freiwillig geht.«
Unser Herr hörte sich diese in klagendem Tonfall vorgetragene Rede gleichmütig an. »Den Zauberern steht eine unangenehme Erfahrung bevor«, sagte er. »Ihre Dämonen vermögen nichts gegen den Schutz, den unser allmächtiger Gott uns gewährt.«
Die Unterredung fand erneut bei den Goldtischen statt, um die herum mittlerweile etliche Stühle aufgestellt und Flechtmatten ausgerollt worden waren. Auch an diesem Treffen nahmen Cortés’ drei engste Vertraute, außerdem Malinali und Aguilar sowie Carapitzli und ich teil. Aus irgendeinem Grund waren jedoch auch zwei Konquistadoren dabei, die zu Gouverneur Velazquez’ Gefolgsleuten gehörten – Francisco de Morla und Francisco de Montejo, der streitlustige Kapitän unseres Frachtschiffs, der sich in Kuba erst im letzten Moment der Expedition angeschlossen hatte.
»Wir sind gekommen, um Euch einen Vorschlag zu unterbreiten, Statthalter Eures mächtigen Königs und allmächtigen Gottes«, fuhr Sturmbezwinger fort. Er deutete auf die zwanzig Totonaken, die um ihn herum einen malerischen Halbkreis bildeten. »Diese Männer sind Häuptlinge kleinerer Totonaken-Städte«, erklärte er, »genau wie ich. Auch wir sind Teudile tributpflichtig, aber anders als die Fürsten in unseren großen Städten haben wir uns eine gewisse Unabhängigkeit von den Azteken bewahrt.«
Sturmbezwinger unterbrach sich und blickte zu Boden, als müsse er sich sammeln oder Mut schöpfen. Cortés schaute ihn weiterhin ohne erkennbare Gemütsbewegung an. Aber ich spürte deutlich, dass er seinem Gegenüber mit gespannter Aufmerksamkeit zuhörte.
»Wir sind gekommen, um Euch und Eure Kämpfer zu bitten: Bleibt für immer bei uns, Ihr hohen Herren!«, sprach Sturmbezwinger in bewegtem Tonfall weiter. »Errichtet Euch eine Stadt auf unserem Boden, wo es Euch gefällt – an der Küste oder weiter landeinwärts. Zusammen gebieten wir Häuptlinge über rund dreißigtausend Krieger. Mit Eurer Hilfe werden wir die Azteken wieder aus unserem Land werfen und für alle Zeiten von unseren Grenzen fernhalten. Und wenn die Götter es so wollen, werden Ihr und wir gemeinsam die neuen Herrscher über alle Länder und Völker bis hinauf zur Wüste im Norden sein. Anstelle derAzteken – dieser kulturlosen Emporkömmlinge, die erst vor wenigen Generationen hier eingefallen sind und durch Blutrünstigkeit und Lügen die Macht an sich gerissen haben!«
Nachdem Aguilar fertig übersetzt hatte, schaute Cortés mindestens eine
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