Goldfinger
Sie, Mister« - der Grinser öffnete die Hände und faltete sie wieder -, »wo sind jetzt die Big Jim Colossimo, Johnny Torrio, Dion O’Bannion, Al Capone - wo sind sie jetzt alle, ha? Die sehen sich die Kartoffeln von unten an! Ja, mein lieber Herr, damals! Da haben die Leute verdammt rasch aufeinander geschossen, aber dann waren sie’s eben müde - soweit sie nicht schon todmüde waren, Sie verstehen -, und als ich in den fünfziger Jahren den Laden übernahm, da hieß es nur: Raus aus dem Feuerwerksgeschäft! Und jetzt kommen Sie daher und schlagen mir das größte Knallfeuerwerk der Geschichte vor! Was soll ich dazu sagen, Mister Dingsda? Na ja, jeder hat seinen Preis, wissen Sie - und für eine Billion Dollar sind wir dabei. Werden also die Murmeln weglegen und die Schleuder wieder hervorholen. Wir machen mit!«
»Grinser, du brauchst aber verdammt lang zum Jasagen!« kommentierte Mr. Midnight ungehalten. Aber Goldfinger sagte herzlich: »Ich danke Ihnen für die hochinteressanten Ausführungen, Mr. Ring, und freue mich sehr, Sie und Ihre Mitarbeiter willkommen zu heißen - Mr. Solo?«
Statt einer Antwort griff Mr. Solo in die Rocktasche und zog einen Batterierasierapparat heraus. Er schaltete ihn ein, lehnte den Kopf zurück und begann seine rechte Gesichtshälfte zu rasieren. Dabei suchte sein Blick nachdenklich an der Zimmerdecke nach Entscheidung. Plötzlich schaltete er ab, sah drohend auf Goldfinger und musterte ihn Zug für Zug. Mr. Solos Gesicht besaß nur mehr zur Hälfte jene dunkle, italienische Gesichtsfarbe, die von unbezähmbarem Bartwuchs herrührt. Sicherlich mußte er sich so alle drei bis vier Stunden rasieren. Jetzt hatte er sich entschlossen und sagte mit eisiger Stimme: »Misterr, für eine Mann, der über so große Dinge spricht, Sie sind serr ruhig. Der letzte, den ich hab’ gesehen so ruhig, war dann auf einmal durch Hackmesser ganz ruhig. Okay, okay.« Mr. Solo lehnte sich zurück und gab widerstrebend nach.
»Also ja, ich bin dabei. Aber Misterr---entweder die Billion, oder Sie sind toter
Mann! Okay?«
Goldfinger verzog ironisch die Lippen. »Danke, Mr. Solo, Ihre Bedingungen sind durchaus annehmbar. Ich wünsche dringend, am Leben zu bleiben. - Mr. Helmut Springer?«
Mr. Springers Augen waren noch toter als sonst. Er sagte hochtrabend: »Ich bin eben dabei, alle Aspekte gründlich zu erwägen. Bitte, fragen Sie inzwischen meine Kollegen.«
Mr. Midnight bemerkte ungeduldig: »Immer dasselbe! Gibt vor, auf die Inspiration zu warten - Botschaft vom Allmächtigen auf Engelfrequenz! Hat seit zwanzig Jahren keine menschliche Stimme mehr gehört.«
»Und Sie, Mr. Strap?«
Mr. Jack Strap kniff die Augen zusammen und sagte freundlich: »Mister, mir scheint, Sie kennen die Chancen und sind der beste Zahler, der mir je begegnet ist. Ich denke, wenn wir die Muskeln und Waffen hergeben, muß es klappen. Rechnen Sie mit mir!« Mr. Strap schaltete den Charme ab. Seine Augen, nun wieder fürchterlich, wandten sich Miss Pussy Galore zu. Auch Goldfinger sah sie an.
Miss Galore schlug den Blick nieder, um keinen von beiden ansehen zu müssen, und sagte gleichgültig vor sich hin: »Das Geschäft ist bei mir draußen in letzter Zeit nicht so blendend gegangen.« Sie klopfte mit ihren langen, silberlackierten Fingernägeln auf ihren Goldbarren. »Nun ja, nicht daß mein Bankkonto überzogen wäre - nennen wir’s lieber ein wenig unterdeckt. Tja. Natürlich mach’ ich mit. Ich und meine Mädels wollen essen.«
Goldfinger erlaubte sich ein Lächeln. »Das ist sehr erfreulich, Miss Galore. Und jetzt« - er blickte über den Tisch - »Mr. Springer: Dürfen wir fragen, ob Sie sich entschieden haben?« Mr. Springer stand langsam auf, gähnte diskret wie ein gelangweilter Opernbesucher, ließ einen Rülpser folgen, zog ein feines Linontuch heraus und betupfte sich die Lippen. Seine Glasaugen wanderten um den Tisch und hefteten sich auf Goldfinger. Langsam wiegte er den Kopf, als versuche er, ein steifes Genick einzurenken. Dann sagte er ernst: »Mr. Gold, ich fürchte, Ihre Vorschläge würden bei meinen Freunden in Detroit wenig Gegenliebe finden.« Er machte eine leichte Verbeugung, die alle Anwesenden einschloß. »Mir bleibt nur übrig, Ihnen für diese hochinteressante Gelegenheit zu danken. Meine Herren, guten Tag.« Eisiges Schweigen herrschte. Mr. Springer steckte sein Taschentuch sorgfältig in die linke Manschette seiner makellosen Fischgratjacke, drehte sich um und ging leise hinaus.
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