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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Hornbrille und hatte dunkelbraune Augen. Ich schätzte ihn auf einsachtzig und vielleicht hundert Kilo. Er trug Chinos und ein kurzärmliges, milchkaffeefarbenes Hemd. Er hatte seine Krawatte gelockert und den obersten Hemdknopf geöffnet wie ein Mann, der keine Einschränkungen mag und an chronischer Überhitzung leidet. Ich folgte ihm durch eine Hintertür und über eine Veranda aus Holzbohlen, die mehrere Wohnwagen von doppelter Breite verband. Die Klimaanlage in seinem Büro summte gleichmäßig, als wir hereinkamen.
    Der Wohnwagen, in dem er residierte, war in drei gleich große Büros unterteilt, die sich eines hinter dem anderen vom Vorderteil des Wagens bis zu seiner Rückseite erstreckten. Lange Leuchtstoffröhren warfen ein kaltes Licht über die weißen Resopalplatten der Schreib- und Zeichentische. Breite Ablageflächen waren übersät mit technischen Handbüchern, Projektberichten, Baubeschreibungen und Entwürfen. Stabile Bücherregale aus Metall, die mit Aktendeckeln vollgestopft waren, säumten fast überall die Wände. Donovan schien in seiner Umgebung keine Privatsekretärin zu haben, und ich mußte vermuten, daß eine der Frauen in den vorderen Räumen seine Anrufe beantwortete und ihm die Schreibarbeit abnahm.
    Er bot mir einen Stuhl an und setzte sich selbst auf einen hochlehnigen Ledersessel hinter seinen Schreibtisch. Dann beugte er sich zur Seite und zog aus einem Bücherregal ein Jahrbuch von einer High School in Santa Teresa, das er auf einer mit einer Büroklammer markierten Seite aufschlug. Er streckte den Arm aus und reichte es mir herüber. »Guy mit sechzehn. Wer weiß, wie er heute aussieht.« Er lehnte sich zurück und wartete meine Reaktion ab.
    Der Junge, der mir aus dem Foto entgegenblickte, hätte einer meiner Klassenkameraden sein können, obwohl er einige Jahre älter war als ich. Das Schwarzweißfoto im Format fünf mal fünf Zentimeter zeigte ihn mit relativ langem, hellem und lockigem Haar. Auf seinen Zähnen saß eine Zahnspange, die durch die leicht geöffneten Lippen glitzerte. Er hatte einen unreinen Teint, störrische Augenbrauen und lange blonde Koteletten. Sein Hemd war aus einem Stoff mit wildem Blumenmuster. Ich hätte auf ausgestellte Hosen und einen breiten Ledergürtel gewettet, obwohl nichts davon auf dem Bild zu sehen war. Meiner Meinung nach sollten sämtliche High-School-Jahrbücher eingesammelt und verbrannt werden. Kein Wunder, daß wir alle unter mangelndem Selbstwertgefühl litten. Was waren wir doch für ein Haufen von Spinnern! Ich sagte: »Er sieht genauso aus wie ich in seinem Alter. In welchem Jahr hat er seinen Abschluß gemacht?«
    »Er hat keinen gemacht. Er wurde sechsmal vom Unterricht ausgeschlossen und ist schließlich abgegangen. Soweit ich weiß, hat er nicht einmal sein letztes Zeugnis abgeholt. Er hat mehr Zeit in der Besserungsanstalt als zu Hause verbracht.«
    »Tasha hat von strafbaren Handlungen gesprochen. Können Sie mir davon erzählen?«
    »Sicher, wenn mir einfällt, wo ich anfangen soll. Erinnern Sie sich noch an das Gerücht, man könne von Aspirin und Coca-Cola high werden? Er ist sofort losgezogen und hat es ausprobiert. Der Junge war schwer enttäuscht, als es keinerlei Wirkung zeigte. Damals war er in der achten Klasse. Wenn ich all die sogenannten >harmlosen Streiches die er sich damals geleistet hat, außer acht lasse, würde ich sagen, daß seine ersten gravierenden Gesetzesverstöße noch in seiner Schulzeit lagen, als er zweimal wegen Marihuanabesitz festgenommen wurde. Er hing dick in der Drogenszene drin: Gras, Speed, Uppers, Downers. Wie hieß das Zeug damals noch? Reds und Yellow Jackets und irgend etwas namens Soapers. LSD und Halluzinogene kamen ungefähr zur selben Zeit auf. Damals nahmen Teenager weder Heroin noch Kokain, und von Crack hatte noch kein Mensch was gehört. Das ist wohl eine neuere Entwicklung. Eine Zeitlang hat er Klebstoff geschnüffelt, aber er sagte, daß ihm die Wirkung nicht behagte. Der Junge war ein Connaisseur, wenn es darum ging, high zu sein«, sagte er verächtlich. »Um für den Stoff zu bezahlen, hat er praktisch alles geklaut, was nicht niet- und nagelfest war. Autos hat er gestohlen und schwere Maschinen von Daddys Baustellen. Sie können sich bestimmt ein Bild davon machen.«
    »Die Frage mag Ihnen seltsam erscheinen, aber war er beliebt?«
    »Das war er in der Tat. Das Foto macht nicht viel her, aber er war ein gutaussehender Junge. Er war zwar unverbesserlich, aber er besaß eine

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