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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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das nur sechs Stunden Autofahrt oder eine Flugstunde im Norden lag. Guy hatte Santa Teresa verlassen, als Haight-Ashbury auf dem Gipfel seiner Beliebtheit stand. Jedes Blumenkind, das nicht bereits hirntot von Drogen war, zog es damals nach Haight. Dort tobte die Party aller Partys, und mit zehntausend Dollar in der Tasche war Guy seine Einladung dazu sicher.
    Um halb vier schloß ich mein Büro ab und ging in den ersten Stock hinunter, um mir Instruktionen für die beiden Vorladungen zu eidlichen Zeugenaussagen geben zu lassen. Dann holte ich mein Auto und fuhr zu den Maleks hinaus. Das Haus stand am Ende eines schmalen Sträßchens, und das sechs Hektar große Grundstück war von einer zweieinhalb Meter hohen Mauer umgeben, die hin und wieder von einem hölzernen Tor durchbrochen wurde. Ich war in dieser Stadt aufgewachsen und hatte gedacht, ich würde jede Ecke von ihr kennen, aber das hier war mir neu, eine erstklassige Santa-Teresa-Immobilie, die auf die dreißiger Jahre zurückging. Die Maleks besaßen offenbar das letzte Stück flachen Landes im Umkreis von Meilen. Das hintere Ende des Anwesens mußte steil bergauf gehen, da über mir die Umrisse der Santa Ynez Mountains aufragten und so nahe wirkten, als könnte man sie berühren. Von der Straße aus konnte ich vereinzelte Büschel violettblühenden Salbeis und Eismyrtensträucher erkennen.
    Die eisernen Torflügel am Eingang zum Anwesen standen offen. Ich folgte der langen, gebogenen Auffahrt an einem rissigen, vernachlässigten Tennisplatz vorbei auf eine gepflasterte Wendefläche, die innerhalb der L-Form des Haupthauses lag. Sowohl das Haus als auch die Mauer, die das Grundstück umgab, waren mit dunklem Terrakotta in einem merkwürdigen Farbton irgendwo zwischen Ziegelrot und Staubrosa verputzt. Wuchtige Nadelbäume überragten das Anwesen, und ein Wald aus immergrünen Eichen erstreckte sich zur Rechten des Hauses, so weit das Auge reichte. Durch das Dach aus Zweigen drang kaum Sonnenlicht. Neben der Vorderfront des Hauses hatten die Kiefern eine Nadeldecke hinterlassen, die den Boden völlig übersäuert haben mußte. Es wuchs kaum oder gar kein Gras, und der feuchte Geruch der nackten Erde war durchdringend. Hier und da konnte sich eine zerzauste Palme behaupten. Auf der rechten Seite standen mehrere Nebengebäude — ein Bungalow, ein Gärtnerschuppen, ein Gewächshaus — , und links befand sich eine lange Reihe von Garagen. Die Zufahrt ging offenbar hinter dem Haus weiter. Auf einer gekiesten Fläche war eine Harley-Davidson geparkt. Es gab Blumenbeete, doch selbst der gelegentlichen Andeutung von Farbe gelang es nicht, die bedrückende Düsternis des herrschaftlichen Hauses und die tiefen Schatten, die es umgaben, aufzulockern.
    Das Haus war im mediterranen Stil gebaut. Sämtliche Fenster waren von Läden flankiert. Mehrere Balustraden durchbrachen die nüchternen Linien der Fassade, und eine zierliche Treppe wand sich linker Hand zu einer Veranda im ersten Stock empor. Alle Verzierungen waren in Dunkelgrün ausgeführt, wobei die Farbe mit den Jahren verblaßt war. Das Dach bestand aus alten roten Ziegeln, auf denen grüne Algen weiche Polster bildeten. Die Urnen aus gegossenem Beton zu beiden Seiten der Haustür waren mit winterharten Pflanzen bestückt, die zu kahlen Stöcken abgestorben waren. Die Tür selbst sah aus, als hätte man sie aus einer der ersten kalifornischen Missionsstationen ausgebaut. Als ich auf die Klingel drückte, hörte ich drinnen einen tiefen Ton erklingen, der den Bewohnern mein Kommen kundtat.
    Kurz darauf wurde die Tür von einer Weißen unbestimmbaren Alters in einer grauen Baumwolltracht geöffnet. Sie war mittelgroß, ziemlich dick, und ihre Schultern und Brüste hingen auf eine Taille herab, die sich ausgedehnt hatte, um die allmähliche Gewichtszunahme aufzufangen. Ich schätzte sie auf Anfang Vierzig, aber sicher war ich mir nicht.
    »Ja?« Ihre Augenbrauen hätten gezupft werden müssen, und ihr blondes Haar wies einen dunklen, von Grau durchzogenen Ansatz auf. Ich stand einer Frau gegenüber, die anscheinend mit irgendeinem stumpfen Gerät auf ihr eigenes Haar einzuhacken pflegte, was mir nicht völlig fremd war. Ihre Ponyfransen waren ein bißchen zu kurz geraten und ringelten sich unvorteilhaft über der Stirn. Vielleicht waren vierzig Dollar für einen Haarschnitt doch nicht zuviel.
    Ich reichte ihr meine Visitenkarte. »Sind Sie Myrna?«
    »Richtig.«
    »Ich bin Kinsey Millhone«, sagte ich. »Ich glaube,

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