Goldgrube
marineblaues Sweatshirt, dessen hochgeschobene Ärmel den Blick auf dichtbehaarte Unterarme freigaben. Tasha hatte ihn als einen Mann beschrieben, der Gelder in verschiedene zum Scheitern verurteilte kommerzielle Unternehmungen steckte und verlor. Ich fragte mich, wie ich auf ihn reagiert hätte, wenn ich nicht vorher von seinem schlechten Geschäftssinn gewußt hätte. So mußte ich allerdings feststellen, daß die solide Selbstsicherheit, die er sich auszustrahlen bemühte, an mir abprallte. Erst mit Verspätung fiel mir auf, daß er die letzten zwei Zentimeter eines Drinks in der rechten Hand hielt, Gin oder Wodka auf Eis mit einem Streifen Zitronenschale. Er stellte das Glas auf den Beistelltisch, der ihm am nächsten stand.
Er streckte die Hand aus und schüttelte meine mit unnötiger Kraft. Wir wollten ja kein Armdrücken veranstalten, was sollte das also? Seine Fingerspitzen waren eisig und fühlten sich leicht feucht an. »Bennet Malek, Miss Millhone. Erfreut, Sie kennenzulernen. Don hat mir gesagt, daß Sie kommen würden. Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?« Er hatte eine laute, dröhnende Stimme und hielt ständig Blickkontakt. Sehr männlich, dachte ich.
»Danke, nein. Ich möchte nicht mehr von Ihrer Zeit in Anspruch nehmen als unbedingt nötig. Ich weiß, daß Sie zu tun haben.«
»In Ordnung. Möchten Sie nicht Platz nehmen?« sagte er. Seine zuvorkommende Art wirkte aufgesetzt, die Masche eines Verkäufers, um den Kunden einzulullen. Ich befand mich erst dreißig Sekunden oder noch weniger in der Gesellschaft dieses Mannes und hatte bereits eine Abneigung gegen ihn entwickelt.
Ich hockte mich auf die Kante eines Clubsessels mit einer breiten, eingesunkenen Sitzfläche. Die lederne Oberfläche war glatt, und ich mußte dagegen ankämpfen, nach hinten in die Tiefen abzurutschen. Als Kind habe ich immer die Rutschbahn im Wohnwagenpark zu blitzartiger Schnelligkeit aufpoliert, indem ich sie heftig mit Cut-Rite-Wachspapier abgerieben hatte. Das glänzende Lederpolster fühlte sich genauso spiegelblank an. Um nicht die Haftung zu verlieren, mußte ich mein Gewicht nach vom verlagern, die Füße eng beieinanderhalten und flach auf den Boden stellen.
Bennet setzte sich mit einer Reihe knarrender Geräusche auf den Sessel zu meiner Linken. »Sie sind also Privatdetektivin«, sagte er.
»Genau. Ich habe seit zehn Jahren eine Lizenz. Davor war ich bei der Polizei. Und Sie? Was machen Sie beruflich?«
»Ich mache in Risikokapital. Ich suche vielversprechende kleine Firmen mit Solvenzproblemen.«
Und dann läßt er sie ausbluten, kein Zweifel. »Klingt interessant«, bemerkte ich.
»Es ist befriedigend. Sagen wir es so.« Er hatte seine Stimme zu einem vertraulichen Tonfall abgesenkt. »Sie haben also mit Don gesprochen?«
»Stimmt. Erst vor ein paar Stunden.«
Er schüttelte kaum merklich den Kopf. »Hat er das verschwundene Testament erwähnt?«
»Davon hat mich Tasha bereits beim Mittagessen unterrichtet«, antwortete ich. Ich fragte mich, warum er dieses Thema anschnitt. Die Existenz eines zweiten Testaments war wirklich nicht mein Problem. »Da hat Ihr Bruder wohl Glück gehabt«, sagte ich.
Er schnaubte. »Ich sage Ihnen, was mich nervt. Ich weiß noch, wie Dad das zweite Testament unterschrieben hat. Ich sehe den Tag so deutlich vor mir, wie ich hier sitze. Dads Anwalt und zwei Zeugen kamen ins Haus.«
»Das ist ja interessant. Wissen Sie noch, wer das war?«
»Die Zeugen? Zwei Frauen. Daran kann ich mich erinnern. Ich dachte, sie arbeiteten für den Anwalt, aber das habe ich mir womöglich nur ausgedacht. Soweit ich weiß, waren sie jedenfalls nicht mit Dad befreundet. Sie kamen alle vier hier herein und gingen etwa eine halbe Stunde später wieder.«
»Haben Sie das Tasha erzählt?«
»Ich habe erwähnt, daß ich an dem Tag, als das zweite Testament unterzeichnet wurde, hier war. Ich weiß jetzt nicht mehr, ob ich Zeugen erwähnt habe.«
»An Ihrer Stelle würde ich ihr das sagen. Vielleicht fällt ihr ein, wie man herausfinden kann, wer sie waren. Soweit ich gehört habe, bestreitet niemand die Tatsache, daß ein zweites Testament aufgesetzt wurde, aber wurde es in Ihrer Gegenwart unterzeichnet? Wurden Sie von den Verfügungen unterrichtet?«
»Tja, ich war nicht mit ihm im Zimmer, falls Sie darauf hinauswollen. Dad hat später davon gesprochen, aber sich nie detailliert dazu geäußert. Die Frage ist, was ist damit passiert?«
Ich zuckte die Achseln. »Ihr Vater könnte es
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