Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
wär’s«, sagte ich. »Es hat sich rausgestellt, daß ich in Lompoc mehrere Cousinen habe. Mir wäre es lieber, wenn ich nichts mit ihnen zu tun hätte, aber sie tauchen immer wieder auf. Ich bin zu alt, um mit Zusammengehörigkeit klarzukommen.«
    »Du Lügnerin«, sagte er liebevoll, beließ es aber dabei.
    Die Kellnerin kam wieder. Wir verzichteten auf Nachtisch und Kaffee. Dietz bat um die Rechnung, die sie aus einem Bündel hervorholte, das sie sich in den Rücken gesteckt hatte. Sie brauchte nur wenige Sekunden, um alles zusammenzuzählen. Ihre gelben Socken und die schwarzen Turnschuhe mit dem hohen Schaft gaben ihrer Kluft wirklich Klasse. Sie legte die Rechnung umgedreht auf den Tisch, ein wenig näher zu Dietz’ Seite als zu meiner. Das war vermutlich ihre Taktik, um keinen Fehler zu machen, für den Fall, daß wir ein Paar waren, das die Rollen vertauscht hatte.
    »Lassen Sie sich nur Zeit«, sagte sie und ging davon, um Ketchup an einen anderen Tisch zu bringen. Sie mußte den Stoffwechsel eines Vogels haben. Die Kälte rief bei ihr nicht mal eine Gänsehaut hervor.
    Dietz warf einen kurzen Blick auf die Rechnung und kontrollierte alles in Windeseile noch einmal nach. Er lehnte sich zur Seite, um seine Geldbörse herauszuholen, entnahm ihr ein paar Scheine und schob sie unter seinen Teller. »Können wir?«
    »Jederzeit.«
    Wir gingen auf Umwegen nach Hause. Es schien leichter zu sein, im Dunkeln zu reden, ohne einander anzusehen. Das Gespräch war oberflächlich. Ich bin Expertin dafür, Worte zu benutzen, die andere Menschen auf Distanz halten. Als wir nach Hause kamen, sorgte ich dafür, daß Dietz alles hatte, was er brauchte: Bettwäsche, zwei Kopfkissen, eine Extradecke, einen kleinen Wecker und ein frisches Handtuch — all die kleinen Dinge, die das Leben angenehm machen. Abgesehen von mir.
    Ich ließ ihn unten zurück und stieg die Wendeltreppe hinauf. Oben angekommen, beugte ich mich übers Geländer. »Bei deinem kaputten Knie wirst du morgen wohl nicht mit mir joggen gehen.«
    »Leider nein. Tut mir leid. Das fehlt mir wirklich.«
    »Ich werde versuchen, dich nicht aufzuwecken. Danke für das Abendessen.«
    »Gern geschehen. Schlaf gut.«
    »Nimm deinen Eisbeutel.«
    »Ja, Ma’am.«
    Ich schlief wesentlich früher ein als er. Dietz war eine Nachteule. Ich weiß nicht, womit er sich die Zeit vertrieb. Vielleicht hat er seine Stiefel poliert oder seine Pistole gereinigt. Womöglich hat er sich das Nachtprogramm im Fernsehen mit gedämpfter Lautstärke angesehen. Auf jeden Fall habe ich nichts von ihm gehört. Ab und zu fiel mir beim Umdrehen auf, daß das Licht im Wohnzimmer immer noch brannte. Es hatte etwas so Väterliches an sich, daß er in meiner Wohnung war. Ein Aspekt des Singledaseins ist, daß man sich selten beschützt fühlt. Man neigt dazu, beim Schlafen im Geist die Schuhe anzubehalten, bereit, beim geringsten Geräusch aufzuspringen und zur Waffe zu greifen. Solange Dietz Wache hielt, schaffte ich es sogar, ein paar Runden REM-Schlaf hinter mich zu bringen und träumte bis zu dem Sekundenbruchteil, bevor mein Wecker losging. Ich schlug die Augen auf, streckte den Arm aus und erwischte ihn gerade noch, bevor er zu plärren anfing.
    Ich erledigte meine morgendlichen Waschungen hinter verschlossenen Türen, damit das Geräusch des laufenden Wassers nicht hinausdrang. Mit den Schuhen in der Hand schlich ich mich auf Strümpfen die Treppe hinunter und auf Zehenspitzen zur Tür hinaus, ohne ihn aufzuwecken. Ich band meine Schuhe zu, machte ein paar Stretching-Übungen und marschierte mit schnellem Schritt los, um warm zu werden. Die Nacht war von Pechschwarz zu Anthrazitgrau übergegangen, und als ich den Cabana erreichte, begann sich die Dunkelheit zu lichten. Der Sonnenaufgang malte blasse Aquarelltöne in den frühmorgendlichen Himmel. Das Meer war silberblau, und der Himmel ging von einem rauchigen Mauve zu einem sanften Pfirsichton über. Die Ölbohrtürme tupften den Horizont wie irisierende Pailletten. Ich liebte das Geräusch der Brandung zu dieser Stunde, das Kreischen der Möwen, das leise Gurren der Tauben, die bereits auf dem Weg entlangstolzierten. Eine Platinblonde und ein schwarzer Pudel kamen auf mich zu, ein Paar, das ich an den meisten Morgen sah, wenn ich hier draußen war.
    Das Laufen tat mir gut. Oft sind die drei Meilen eine einzige Plage, etwas, das ich tue, weil ich weiß, daß ich es tun muß. Diesmal war ich dankbar dafür, körperlich in Form zu sein. Ich

Weitere Kostenlose Bücher