Goldgrube
schäbiges Dach aus grünen Schindeln, das von Dachgauben durchbrochen war. Über die eine Seite des Hauses zog sich eine breite Veranda, die von Fliegengittern, umgeben und unübersehbar verzogen war, als hätte ein Erdbeben das Betonfundament gelockert. Hinter dem Haus konnte ich eine große rote Scheune mit einer baufälligen Garage erkennen. Sowohl das Haus als auch die Scheune hätten dringend eines neuen Anstrichs bedurft, und ich bemerkte, wie die Sonne schräg durch das Scheunendach schien, wo es von großen Löchern durchzogen war. Metallene Gartenstühle waren halbkreisförmig unter einer wuchtigen immergrünen Eiche im Garten arrangiert worden. Ein verwitterter Picknicktisch mit zwei langen Bänken stand gleich daneben, und ich stellte mir vor, daß er in den Sommermonaten für Sonntagsschulkassen und Kirchenessen genutzt wurde.
Ich folgte Guy durch den Garten. Wir stiegen die Hintertreppe hinauf und betraten die Küche. In der Luft stand der Geruch von angebratenen Zwiebeln und Sellerie. Peter war ein Mittsechziger, der langsam kahl wurde. Ein Kranz weißen Haares umgab seinen Kopf, ging in Koteletten über und wand sich als kurz gestutzter Bart um seine Kinnpartie. Das blasse Sonnenlicht, das durchs Fenster drang, beleuchtete den fedrig weißen Flaum auf seinem Schädel. Er trug einen roten Rolli unter einem derben grünen Pullover und war gerade dabei, Plätzchenteig auszurollen. Die Backbleche zu seiner Rechten waren angefüllt mit Reihen perfekter Teigscheiben, fertig für den Ofen. Er sah erfreut auf, als wir beide hereinkamen. »Oh, Guy. Gut, daß du da bist. Ich habe mich gerade gefragt, ob du schon gekommen bist. Der Ofen drüben in der Kirche hat schon wieder Mucken. Erst schaltet er sich ein, dann schaltet er sich wieder aus. Ein und aus.«
»Vermutlich der elektronische Zündmechanismus. Ich schau’s mir mal an.« Guys Körperhaltung war befangen. Er rieb sich die Nase und steckte dann die Hände in die Taschen seiner Latzhose, als wollte er sie wärmen. »Das ist Kinsey Millhone. Sie ist Privatdetektivin und kommt aus Santa Teresa.« Er drehte sich um, sah mich an und nickte mit dem Kopf zu dem Pfarrer und seiner Frau, während er uns miteinander bekannt machte. »Das ist Peter Antle, und das ist seine Frau Winnie.«
Peter hatte eine gesunde Gesichtsfarbe. Seine blauen Augen lächelten mir unter struppigen weißen Brauen entgegen. »Schön, Sie kennenzulernen. Ich würde Ihnen ja gern die Hand schütteln, aber ich glaube nicht, daß Ihnen das gefallen würde. Wie begabt sind Sie denn im Plätzchenbacken? Kann ich Sie einspannen?«
»Lieber nicht«, sagte ich. »Meine häuslichen Fertigkeiten lassen einiges zu wünschen übrig.«
Er wollte gerade näher auf diesen Punkt eingehen, als seine Frau sagte: »Also Pete...« und ihm einen bezeichnenden Blick zuwarf. Winnie Antle war etwa Ende Vierzig und hatte kurzes braunes Haar, das sie aus dem Gesicht gekämmt trug. Sie war ein bißchen füllig und hatte ein strahlendes Lächeln und ungemein weiße Zähne. Sie trug ein Männerhemd über Jeans und dazu eine lange Strickweste, die ihre breiten Hüften und ihren ausladenden Po bedeckte. Sie zerkleinerte gerade Gemüse für eine Suppe, und auf der Arbeitsfläche neben ihr türmte sich bereits ein Haufen Karottenscheibchen. Außerdem sah ich zwei Bund Stangensellerie und mehrere Paprikaschoten, die auf ihr blitzendes Messer warteten. Zugleich kümmerte sie sich um einen Suppentopf, in dem die erste Portion Gemüse lustig vor sich hin köchelte. »Hallo, Kinsey. Nehmen Sie’s ihm nicht übel. Er versucht andauernd, die Arbeit an Nichtsahnende abzuschieben«, sagte sie lächelnd. »Was führt Sie hier herauf?«
Peter sah Guy an. »Du hast doch hoffentlich keinen Ärger. Diesen Mann muß man im Auge behalten.« Sein Lächeln war humorvoll, und es war offensichtlich, daß er in bezug auf Guy keinen Ärger erwartete.
Guy gab die Erklärung murmelnd. Anscheinend war es ihm peinlich, der Empfänger so schlechter Nachrichten zu sein. »Mein Vater ist gestorben. Die Nachlaßanwältin hat sie beauftragt, mich ausfindig zu machen.«
Peter und Winnie wandten beide ihre volle Aufmerksamkeit Guy zu, der seine vorherigen Gefühle jetzt unter Kontrolle hatte. Peter sagte: »Ist es die Möglichkeit! Tja, tut mir leid, das zu hören.« Er warf mir einen Blick zu. »Wir haben oft darüber gesprochen, ob er sich um eine Versöhnung bemühen soll. Es ist Jahre her, daß er Kontakt zu seinem Vater hatte.«
Guy
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