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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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verlagerte sein Gewicht und lehnte sich mit vor der Brust verschränkten Armen auf die Arbeitsfläche. Er schien seinen Kommentar an mich zu richten. Seine Stimme klang sehnsuchtsvoll. »Ich weiß nicht, wie viele Briefe ich geschrieben habe, aber es wurde kein einziger davon abgeschickt. Jedesmal, wenn ich etwas zu erklären versucht habe, klang es am Schluß... Sie wissen schon, entweder falsch oder dämlich. Schließlich gab ich es auf, bis ich herausgefunden hätte, was ich eigentlich sagen wollte. Ich dachte immer, ich hätte noch Zeit. Ich meine, er war doch noch nicht alt, wirklich nicht.«
    »Seine Zeit muß gekommen sein. Dagegen kannst du nichts einwenden«, sagte Peter.
    Dann meldete sich Winnie zu Wort. »Wenn dir heute nicht nach Arbeiten zumute ist, nimm dir doch frei. Wir kommen prima allein zurecht.«
    »Mir geht’s gut«, entgegnete Guy, wiederum voller Unbehagen darüber, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.
    Wir verbrachten ein paar Minuten damit, Informationen auszutauschen: wie ich es geschafft hatte, Guy zu finden, und was ich über seine Familie wußte, nämlich nicht viel.
    Peter schüttelte den Kopf, offenkundig betroffen von den Neuigkeiten, die ich mitbrachte. »Für uns gehört Guy zur Familie. Als ich den Jungen das erste Mal gesehen habe, war er ein trauriger Anblick. Seine Augäpfel waren leuchtendrot und kullerten in seinem Kopf herum wie glühende Murmeln. Winnie und ich waren zu dieser Kirche hier gerufen worden, und wir waren den ganzen Weg hier heraus nach Kalifornien gefahren, von Fort Scott in Kansas. Wir hatten alles mögliche über Hippies und Kiffer und Acid Freaks gehört — so nannte man sie, glaube ich. Kids mit ausgebrannten Augen, weil sie total vollgedröhnt in die Sonne gestarrt haben. Und dann stand da Guy an der Straße, mit einem Schild, auf dem >San Francisco< stand. Er bemühte sich, >cool< zu wirken, aber auf mich machte er nur einen mitleiderregenden Eindruck. Winnie wollte nicht, daß ich anhielt. Wir hatten die zwei Kinder auf dem Rücksitz, und sie befürchtete, wir würden demnächst in der Mordstatistik auftauchen.«
    »Es ist schon viele Jahre her«, sagte Winnie.
    Peter sah zu Guy hinüber. »Was hast du denn jetzt vor, Guy? Willst du nach Santa Teresa zurückgehen? Vielleicht ist das die passende Gelegenheit, dich mit deinen Brüdern zusammenzusetzen und über die Vergangenheit zu sprechen und eventuell ein paar alte Geschichten aus der Welt zu schaffen.«
    »Ich weiß es nicht. Vermutlich schon. Wenn sie dazu bereit sind, sich mit mir zusammenzusetzen«, sagte Guy. »Ich glaube, ich bin noch nicht ganz so weit, um eine Entscheidung darüber zu fällen.« Er sah wieder mich an. »Ich weiß, daß sie Sie nicht hierhergeschickt haben, damit Sie mich bitten, zurückzukommen, aber ein bißchen habe ich in der Angelegenheit doch auch mitzureden. Wäre es Ihnen recht, wenn ich Sie in ein oder zwei Tagen anriefe?«
    »Kein Problem. Aber in der Zwischenzeit muß ich wieder nach Hause«, sagte ich. »Meine Karte haben Sie ja. Wenn ich nicht im Büro bin, versuchen Sie es unter der zweiten Nummer, dann wird der Anruf automatisch weitergeleitet.« Ich zog eine zweite Visitenkarte heraus und kritzelte Tasha Howards Namen darauf. »Das ist die Anwältin. Ich weiß ihre Telefonnummer nicht auswendig. Sie hat ein Büro in Lompoc. Sie können ja bei der Auskunft anrufen und sich die Nummer dort geben lassen. Es ist nicht besonders weit von hier. Sie könnten zumindest einen Termin mit ihr vereinbaren und mit ihr reden. Außerdem werden Sie einen eigenen Anwalt brauchen, der Sie berät. Ich hoffe, es geht alles gut.«
    »Ich auch. Es freut mich, daß Sie die Fahrt hierher auf sich genommen haben«, sagte Guy. »Es ist wesentlich persönlicher.«
    Ich schüttelte ihm die Hand, murmelte Peter und Winnie Antle höfliche Floskeln zu und machte mich auf den Weg. Ich fuhr noch einmal gemächlich die Hauptstraße von Marcella entlang, um ein Gefühl für den Ort zu bekommen. Klein und ruhig. Bescheiden. Ich drehte eine Runde um den Block und fuhr durch die wenigen Wohnstraßen. Die Häuser waren klein und nach identischen Plänen gebaut, einstöckige Gebäude mit flachen Dächern. Ihre Fassaden waren in Pastellfarben gestrichen, blasse Ostereifarben in einem Nest aus winterlichem Gras, das so trocken war wie Papierwolle. Die meisten Häuser wirkten schäbig und trist. Nur gelegentlich sah ich einen Bewohner.
    Als ich am Gemischtwarenladen vorüberfuhr, auf dem Weg zur

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