Goldgrube
Familie stündest.«
Ich sah, wie er zusammenzuckte. Seine Miene wechselte abrupt und nahm einen verletzten und zornigen Ausdruck an. »Tiefschlag. Was ich über meine Kinder erzähle, möchte ich nicht hinterher von dir aufs Butterbrot geschmiert kriegen.«
»Du hast recht. Es tut mir leid. Ich ziehe die Bemerkung zurück.«
»Du ziehst das Messer raus, aber die Wunde ist noch da«, fauchte er. »Was ist denn los mit dir? Du bist so kratzbürstig zur Zeit. Du tust, was du kannst, um mich auf Armeslänge von dir fernzuhalten.«
»Das tue ich nicht«, sagte ich und sah ihn dann mit zusammengekniffenen Augen an. »Stimmt das?«
»Tja, schau dir doch mal dein Verhalten an. Ich bin noch keine zwei Tage da, und schon streiten wir. Wozu denn? Ich bin nicht den ganzen Weg hierhergefahren, um einen Streit mit dir anzufangen. Ich wollte dich sehen. Ich habe mich darauf gefreut, ein paar Tage mit dir zu verbringen. Herrgott. Wenn ich streiten wollte, hätte ich bei Naomi bleiben können.«
»Warum hast du’s nicht getan? Ich meine die Frage jetzt nicht böse, ich bin nur neugierig. Was ist denn passiert?«
»Ach, wer weiß. Ich habe meine Version und sie ihre. Manchmal glaube ich, Beziehungen haben eine natürliche Lebensdauer. Unsere war abgelaufen. Das war alles. Die Erklärungen kommen hinterher, wenn man versucht, es zu begreifen. Aber zurück zu dir. Was spielt sich denn in deinem Kopf ab?«
»Ich streite lieber, als nichts zu fühlen.«
»Sind das deine einzigen zwei Möglichkeiten?«
»Zumindest kommt es mir so vor, aber sicher bin ich mir da nicht.«
Er streckte die Hand aus und zog mich kurz an den Haaren. »Was fange ich bloß mit dir an?«
»Und was fange ich mit dir an?« erwiderte ich.
7
Als wir um Viertel nach zehn zu mir zurückkamen, brannte bei Henry noch Licht in der Küche. Dietz sagte, sein Knie brächte ihn um, und so ging er in die Wohnung, wo er zwei Schmerztabletten nehmen, die Füße hochlegen und seinen Eisbeutel wirken lassen wollte. Ich sagte, ich käme gleich wieder. Unser Gespräch bei Rosie hatte im Grunde zu nichts geführt. Ich konnte weder ertragen, es fortzusetzen, noch so zu tun, als wäre das Thema nie zur Sprache gekommen. Ich wußte nicht, was ich von ihm wollte, und erst recht nicht, wie ich es ihm sagen sollte, und so hörte ich mich am Schluß nur noch armselig an. Meine Grundeinstellung ist: Wenn dein Geist nicht offen ist, dann laß auch den Mund zu.
Ich klopfte an Henrys Hintertür und winkte ihm durchs Fenster zu, als er überrascht zu mir hinaussah. Er saß mit der Abendzeitung und seinem Glas Jack Daniel’s im Schaukelstuhl. Er lächelte, winkte zurück und legte die Zeitung beiseite, damit er mich hereinlassen konnte. Er hatte die Heizung aufgedreht, und die Luft im Raum war warm und duftete köstlich nach den Zimtschnecken vom Vortag.
»Herrlich hier. Draußen ist es richtig kalt«, sagte ich. Der Küchentisch war mit zu Stapeln sortierten Schwarzweißfotos bedeckt. Ich warf einen kurzen Blick darauf, zog mir einen Stuhl heran und wandte meine Aufmerksamkeit Henry zu. In meinen Augen ist Henry Pitts einfach perfekt: Er ist klug, gutmütig und verantwortungsbewußt und hat die hübschesten Beine, die ich je gesehen habe. Seit fünf Jahren ist er mein Vermieter, seit dem Tag, als ich sein Wohnungsangebot im Waschsalon hängen sah. Henry suchte einen Dauermieter, der sauber und ruhig war; keine Kinder, laute Partys oder kläffende Hunde. Nachdem ich mein ganzes Leben in Wohnwagen verbracht hatte, war ich zwar kleinen, kompakten Räumlichkeiten verfallen, aber bereit, den Kontakt zu einer Menge lauter, ungebärdiger Nachbarn zu begrenzen. Das Leben in einem Wohnwagenpark bringt trotz all seiner Vorzüge eine intime Vertrautheit mit den Privatangelegenheiten anderer Leute mit sich. Da ich mir mein Geld als Schnüfflerin verdiene, behalte ich meine Privatangelegenheiten lieber für mich. Die umgebaute Einzelgarage, die Henry zu bieten hatte, übertraf meine Wunschträume um einiges und war außerdem bezahlbar. Seit damals war die Wohnung einmal durch eine Bombe verwüstet und wieder instand gesetzt worden, wobei das Innere mit Teakholz ausgestattet und so geschickt eingerichtet wurde wie ein Schiff.
Von Anfang an hatten Henry und ich gerade soviel an Beziehung zueinander aufgebaut, wie es uns beiden paßte. Im Lauf der Jahre ist es ihm gelungen, mich in gewissem Maße zu kultivieren, und ich bin heute bestimmt genießbarer als damals. Nach und nach wurde das Band
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