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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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die sich wenigstens ansatzweise interessiert zeigen«, sagte er mit einem angedeuteten Lächeln.
    Ein guter Tip am Rande: Mitten in einem delikaten Gespräch mit einer Frau sollte man keine andere Frau erwähnen — erst recht nicht in der Mehrzahl. Das ist schlechter Stil. Sowie er das gesagt hatte, entstand vor meinem geistigen Auge plötzlich das Bild einer langen Schlange von Frauen, in der ich nicht einmal an der Spitze stand. Ich merkte, wie mein Lächeln erstarb, und zog mich ins Schweigen zurück wie eine Schildkröte, die auf einen Hund stößt.
    Sein Blick wurde verhalten. »Was ist los?«
    »Gar nichts. Mir geht’s gut. Wie kommst du darauf, daß irgend etwas los sei?«
    »Laß uns nicht aneinander vorbeireden«, sagte er. »Du hast doch offensichtlich etwas zu sagen, also warum sagst du’s nicht?«
    »Ich will nicht. Es spielt keine Rolle.«
    »Kinsey.«
    »Was?«
    »Komm schon. Es steht keine Strafe auf Offenheit.«
    »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Du bist ein paar Tage lang hier, und was soll ich nun damit anfangen? Ich verkrafte es nicht gut, verlassen zu werden. Es ist die Geschichte meines Lebens. Warum soll ich mich erst auf etwas einlassen, wenn das lediglich bedeutet, daß mir das Herz herausgerissen wird?«
    Er zog die Augenbrauen hoch, ein mimisches Achselzucken. »Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll. Ich kann dir nicht versprechen, daß ich bleibe. Ich bin noch nie länger als maximal sechs Monate am selben Fleck geblieben. Warum können wir nicht in der Gegenwart leben? Warum muß bei allem eine Garantie dabeisein?«
    »Ich rede nicht von Garantien.«
    »Ich glaube schon«, widersprach er. »Du möchtest ein Pfandrecht auf die Zukunft, wo du doch in Wirklichkeit auch nicht besser als ich weißt, was als nächstes kommt.«
    »Gut, das stimmt, und dagegen will ich gar nichts einwenden. Ich sage lediglich, daß ich mich nicht in eine Beziehung verstricken will, die an- und wieder ausgeknipst wird — genau das ist es nämlich.«
    Dietz’ Gesichtsausdruck war gequält. »Ich will nicht lügen. Ich kann nicht so tun, als ob ich bliebe, wenn ich genau weiß, daß ich’s nicht tue. Was würde das bringen?«
    Ich merkte, wie meine Frustration wuchs. »Ich will nicht, daß du so tust, als ob, und ich verlange nicht, daß du mir etwas versprichst. Ich versuche nur, ehrlich zu sein.«
    »In welcher Hinsicht?«
    »In jeder. Ich bin mein Leben lang von anderen Menschen weggestoßen worden. Manchmal durch Tod oder Verlassenwerden. Untreue oder Verrat. Was du willst. Ich habe jede Form emotionaler Treulosigkeit erlebt, die es gibt. Na ja, sei’s drum. Jeder hat im Lauf seines Lebens leiden müssen, also was soll’s? Ich sitze nicht herum und tue mir selbst leid, aber ich müßte ein Idiot sein, wenn ich mich dieser Scheiße noch einmal aussetze.«
    »Das verstehe ich. Ich kann es nachfühlen, und glaub mir, ich will nicht derjenige sein, der dir Schmerzen zufügt. Es hat nichts mit dir zu tun, sondern mit mir. Ich bin von Natur aus ruhelos. Ich hasse es festzusitzen. So bin ich eben. Sperr mich ein, und ich schlage alles zu Kleinholz, nur um herauszukommen«, sagte er. »Meine Leute waren Nomaden. Wir waren immer auf Achse. Immer unterwegs. Wir lebten aus Koffern. Für mich ist es bedrückend, ständig am selben Fleck zu sein. Wenn du schon vom Tod redest. Es ist das Schlimmste. Wenn wir in meiner Jugend zu lang in einer Stadt geblieben sind, hat mein alter Herr regelmäßig Ärger gekriegt. Dann saß er im Knast, lag im Krankenhaus oder saß in der Ausnüchterungszelle. In jeder Schule, die ich besucht habe, war ich immer der Neue und mußte mir den Weg über den Schulhof freikämpfen, nur um zu überleben. Der glücklichste Tag meines Lebens war der Tag, an dem wir uns wieder aus dem Staub gemacht haben.«
    »Endlich frei«, warf ich ein.
    »Genau. Nicht, daß ich nicht bleiben möchte. Ich bin einfach unfähig dazu.«
    »Oh, sicher. >Unfähig<. Tja, das erklärt es natürlich. Du bist entschuldigt«, sagte ich.
    »Sei doch nicht so empfindlich. Du weißt schon, was ich meine. Herrgott noch mal, ich bin nicht stolz auf mich. Ich schwelge nicht in der Tatsache, daß ich keine Wurzeln schlagen kann. Ich will mich nur einfach nicht selbst verarschen, und dich auch nicht.«
    »Vielen Dank. Das ist ja toll. In der Zwischenzeit hast du ja sicherlich Möglichkeiten, dich zu amüsieren.«
    Er kniff die Augen zusammen. »Was soll denn das heißen?«
    »Es ist hoffnungslos«, sagte ich. »Ich

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