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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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recht.«
    »Ich hole es«, sagte Christie rasch. Sie ging zu einem mit Schnapsflaschen übersäten Sideboard hinüber. Eine Flasche Chardonnay stand in einem Weinkühler neben einem durchsichtigen Lucite-Eiskübel und verschiedenen Gläsern. Mit einem Blick auf Donovan begann sie die Folie vom Hals der Weinflasche zu lösen. »Trinkst du auch Wein?«
    »Zum Essen vermutlich. Aber zuerst nehme ich, glaube ich, einen Martini. Gin ist Bennets Winterdrink«, fügte er als Nebenbemerkung zu mir hinzu.
    Ah, wohl ein Trinker, der sich an die Jahreszeiten hielt. Was für eine nette Idee. Gin im Winter, vielleicht Wodka im Frühling. Für den Sommer böte sich Tequila an, und den Herbst konnte er mit ein bißchen Bourbon oder Scotch abrunden. Während Christie den Wein aufmachte, verschaffte ich mir einen vorläufigen Überblick.
    Ebenso wie das Schlafzimmer oben war auch dieser Raum riesengroß. Die vier Meter hohe Decke war mit etwa zwanzig Zentimeter breiten Stuckkronen umrandet, und die Wände waren mit einer schmalgestreiften blau-cremefarbenen Tapete bedeckt, die im Lauf der Jahre verblichen war. Der blasse, orientalische Teppich mußte fünf Meter breit und schätzungsweise siebeneinhalb Meter lang sein. Die Möbel waren in zwei Gruppen aufgeteilt. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes standen sich vor den Vorderfenstern vier Ohrensessel gegenüber. Näher zur Mitte des Zimmers hin bildeten drei große Sofas vor dem Kamin ein U. Sämtliche an der Wand stehenden Möbelstücke — ein Schrank, ein Sekretär und zwei mit Schnitzereien und Intarsien verzierte Tischchen — waren von der Art, wie man sie in Antiquitätenläden zu sehen bekam, schwer und ein bißchen überladen, mit Preisschildern, bei denen man zweimal hinsehen mußte, weil man glaubte, sie falsch gelesen zu haben.
    Christie kehrte mit zwei Gläsern Wein zurück und reichte mir eines. Sie setzte sich auf eins der Sofas, und ich nahm mit einem gemurmelten »Danke« ihr gegenüber Platz. Das blaue Blumenmuster war zu einem gebrochenen Weiß verblichen, der Stoff entlang der Lehnen und der Vorderseiten der Polster abgeschabt. Auf dem quadratischen Couchtisch in der Krümmung der U-Form stand eine große Messingschale voller frischer Blumen, und daneben lagen mehrere Ausgaben des Architectural Digest. Mein Blick fiel auf einen unordentlichen Stapel von Karten, vermutlich Beileidsschreiben. Ich holte meinen getippten Bericht heraus und legte ihn vor mich auf den Tisch. Ich würde ihn Donovan dalassen, damit er ein Exemplar für seine Unterlagen hatte.
    Ich hörte Schritte und Stimmen im Flur. Jack und Bennet betraten das Wohnzimmer gemeinsam. Was sie auch immer diskutiert hatten, jetzt waren ihre Mienen neutral und strahlten bei meinem Anblick nichts als wohlwollendes Interesse aus. Bennet steckte in einem Jogginganzug aus einem seidigen Material, das raschelte, wenn er ging. Jack sah aus, als käme er gerade vom Golfplatz, und sein Haar ließ noch den Abdruck seiner Kappe erkennen. Er trug eine leuchtendorangefarbene Weste über einem pinkfarbenen, kurzärmligen Golfhemd, und sein Gang war federnd, als hätte er immer noch Schuhe mit Nägeln darunter an. Jack schenkte sich einen Scotch mit Wasser ein, der so dunkel war wie Eistee, während Bennet einen großen Krug Martinis mischte, die er mit einem langen Glasstab umrührte. Kein Zweifel, die Aperitifkultur wurde in diesem Haus sehr gepflegt. Er schenkte sich und Donovan je einen Martini ein und gab in jedes Glas eine Olive. Dann brachte er den Martinikrug zum Couchtisch herüber und stellte ihn in Reichweite ab.
    Während die Getränke ausgeschenkt wurden, tauschte man belanglose Nettigkeiten aus, die nicht von Herzen kamen. Wie beim Tabak schienen die Rituale des Alkohols eine Art Verzögerungstaktik zu sein, bis die Versammelten sich seelisch auf die Situation eingestellt haben. Ich hatte ein merkwürdiges Gefühl im Brustkorb, den gleichen Anflug von Angst, den ich in der dritten Klasse vor einer Tanzaufführung empfunden hatte, in der ich ein Häschen spielte — nicht gerade eine Spezialität von mir. Meine Tante Gin war krank und konnte nicht Zusehen, und so war ich gezwungen, mein Gehoppel vor zahllosen fremden Erwachsenen vorzuführen, die mich nicht allzu einnehmend zu finden schienen. Meine Beine waren zu mager, und die Hasenohren wollten nicht aufrecht stehenbleiben. Die Malek-Brüder betrachteten mich mit ungefähr der gleichen Begeisterung. Donovan nahm neben Christie auf der Couch

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