Goldgrube
dabei an. Ihre Sprechweise war fest, so als hätten wir ihr Recht, sich auf dem Anwesen aufzuhalten, in Frage gestellt. Soweit ich sie bisher erlebt hatte, war sie ziemlich humorlos, aber bei Guy floß nun ein ablehnender Unterton mit ein, der die allgemeine Haltung der Familie widerspiegelte.
Guy lächelte freundlich. »Ich würde gern mal mit Ihnen über meinen Dad reden.«
»Ja, Sir. Er war ein netter Mann, und ich mochte ihn gern.«
Einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen, weil keiner von uns wußte, wie er das Gespräch beenden sollte. Myrna schaffte es schließlich, indem sie sagte: »Na gut. Dann lasse ich Sie mal allein. Ich bin in der Küche, falls Sie irgend etwas brauchen sollten. Die Köchin heißt Enid, wenn Sie mich nicht finden.«
»Ich kann mich an Enid erinnern«, sagte er. »Danke.«
Sowie sich die Haustür hinter ihr geschlossen hatte, nahm mich Guy beim Ellenbogen und führte mich nach rechts davon. Wir überquerten gemeinsam den Hof, wo die Hitze aus den sonnendurchtränkten Pflastersteinen aufstieg. »Danke, daß Sie geblieben sind«, sagte er.
»Sie bedanken sich oft«, bemerkte ich.
»Stimmt. Ich fühle mich reich beschenkt. Ich hatte gedacht, ich würde das Haus nie wiedersehen. Kommen Sie. Wir gehen hier herum.«
Wir gingen zur Südseite des Hauses, womit wir aus dem warmen Sonnenschein in den Schatten traten. Ich empfand es wie einen weiteren plötzlichen Jahreszeitenwechsel. Durch eine Distanz von nur fünfzehn Metern hatten wir den Sommer hinter uns gelassen. In der lastenden Düsternis des Schattens machte sich der Temperaturunterschied deutlich und unangenehm bemerkbar, als spulten sich die Monate wieder zurück bis zum Winter. Ausläufer der heißen, trockenen Winde bliesen von der Anhöhe hinter uns herab und zerrten unruhig an den Baumwipfeln über unseren Köpfen. Wir schlenderten unter einem Baldachin aus nach Tabak riechenden Zederzypressen und Kiefern dahin. Ein Teppich von herabgefallenen Nadeln dämpfte unsere Schritte bis zur Unhörbarkeit.
Neben dem Haus konnte ich sehen, wo sich die Gärtner zu schaffen gemacht hatten — geharkte Wege, ordentlich gestutzte Büsche, üppige Farne, die von perfekt geformten Steinchen umlegt waren — , doch der größere Teil des Anwesens war dem Verwildern nahe. Viele der Pflanzen hatte man einfach unkontrolliert wuchern lassen. Violette Wandelröschen fielen über die Terrassenmauer. Eine lachsrosa Bougainvillea rankte sich um ein wirres Gebüsch. Zu unserer Rechten bedeckte ein regelrechter Strom von Kapuzinerkresse ein ausgetrocknetes Bachbett. An den Stellen, wo die Sonne hinschien und der trockene Wind durch die Blüten wehte, stiegen allerlei Düfte auf und vermischten sich zu einem erdigen Eau de Cologne.
Guy schien jeden Quadratzentimeter, den wir durchquerten, genau zu studieren. »Alles sieht so viel größer aus. Ich kann mich noch daran erinnern, als diese Bäume gepflanzt wurden. Die Schößlinge waren gerade so hoch, und sehen Sie sie sich jetzt mal an.«
»Ihre Erinnerungen klingen heiter. Das überrascht mich irgendwie.«
»Es war großartig, hier aufzuwachsen. Mom und Dad haben das Haus gekauft, als ich drei Jahre alt war. Donovan war fünf, und wir beiden dachten, wir seien gestorben und in den Himmel gekommen. Es war wie ein einziger toller großer Spielplatz. Wir konnten gehen, wohin wir wollten, und kein Mensch mußte sich je Sorgen machen. Wir bauten Forts und Baumhäuser. Wir fochten mit Stöcken Schwertkämpfe aus. Wir spielten Cowboys und Indianer und gingen in der Wildnis der Dornbüsche auf Dschungelexpeditionen. Als Bennet noch kleiner war, haben wir ihn immer an einen Marterpfahl gebunden, und er hat gejault wie ein Irrer. Dann haben wir ihm erklärt, daß wir ihn verbrennen würden, wenn er nicht die Klappe hielte. Er war jünger als wir und insofern Freiwild.«
»Nett.«
»Typischer Jungenspaß«, sagte er. »Mädchen machen so was vermutlich nicht.«
»Wie konnten sich Ihre Eltern ein solches Anwesen leisten? Ich dachte, Ihr Vater sei erst später zu Reichtum gekommen, in den Jahren, nachdem Sie weggegangen sind.«
»Mom hatte etwas Geld aus einem Treuhandvermögen. Die Anzahlung kam von ihr. Eigentlich war es gar nicht soviel Geld, nicht mal für damalige Verhältnisse. Das Haus hatte eine eigenartige Geschichte. Es stand seit fast zehn Jahren zum Verkauf und war während der ganzen Zeit unbewohnt. Soweit wir gehört hatten, war der vorherige Besitzer ermordet worden. Nicht daß es im
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