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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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»Könnten wir eine kleine Rundfahrt machen? Ich würde gern sehen, was sich hier tut.«
    »Aber gern. Warum nicht? Wir haben ja Zeit.«
    Ich fuhr um den Block, bis ich wieder auf der State Street herauskam. Dann bog ich nach links ab, in Richtung Stadtzentrum, welches nur drei Häuserblocks entfernt lag. Die Einkaufsstraßen umfaßten nicht mehr als zwanzig Blocks in der Länge und drei oder vier in der Breite und endeten mit dem Cabana Boulevard, der parallel zum Strand verläuft. Viele Jahre lang zog es die meisten Kauflustigen in die Läden im oberen Teil der State Street. Der untere Teil galt als weniger attraktive Gegend, da sich dort Gebrauchtwarenläden, drittklassige Imbißlokale, ein nach Urin stinkendes Kino und ein halbes Dutzend lauter Bars und heruntergekommener Hotels für Durchreisende befanden. In letzter Zeit hatte die Gegend eine Wiederbelebung erfahren, und die schicken Geschäfte hatten begonnen, sich entlang der Durchgangsstraße in Richtung Süden zu verlagern. Nun war es die obere State Street, in der sich mehr und mehr verlassene Ladenlokale zeigten, während der untere Teil das ganze Touristengeschäft einfing. Bei schönem Wetter kamen die Leute zu Fuß vom Strand herauf, ein bunt zusammengewürfelter Aufmarsch von Schaulustigen in Shorts, die an Eistüten schleckten.
    »Es ist größer geworden«, bemerkte er.
    Mit einer Einwohnerzahl von fünfundachtzigtausend war Santa Teresa zwar nicht groß, aber die Stadt hatte sich gut entwickelt. Ich versuchte sie mit seinen Augen zu sehen und listete in Gedanken sämtliche Veränderungen auf, die in den letzten zwanzig Jahren eingetreten waren. Aufnahmen im Zeitraffer hätten gezeigt, wie Baumstämme höher wurden und Äste sich ausdehnten, als seien sie aus Gummi, wie Häuser gebaut wurden und andere in einer Staubwolke zusammensanken. Ladenfronten durchliefen heute hundert Variationen: Markisen, Schilder und Schaufensterauslagen, dazwischen blitzte die Werbung für den Räumungsverkauf eines Geschäfts kurz über die Glasscheibe, bevor der nächste Besitzer den Laden übernähme. Neue Gebäude tauchten auf wie aus dem Nichts und füllten die freien Flächen, bis es keine Baulücke mehr gäbe. Ich konnte mich noch daran erinnern, wie man die Bürgersteige verbreitert hatte und die State Street schmaler wurde, um Platz für frisch gepflanzte Bäume zu schaffen, die aus Bolivien importiert worden waren. Bänke und Telefonzellen im spanischen Stil folgten später. Plötzlich standen Zierbrunnen da und sahen aus, als befänden sie sich schon seit Jahren an Ort und Stelle. Ein Feuer hatte zwei Firmen zerstört, ein Erdbeben andere Gebäude unbenutzbar gemacht. Santa Teresa war eine der wenigen Städte, die im Lauf der Zeit eleganter wurden. Die strengen Vorschriften der Architektenkammer ließen ein kultiviertes Stadtbild entstehen, das in anderen Orten von grellem Neon, überdimensionalen Schildern und einer wilden Mischung aus Baustilen und -materialien überwuchert wurde. Sosehr sich die hiesige Bevölkerung auch über den langwierigen Genehmigungsprozeß beklagte, das Ergebnis war eine Mischung aus Schlichtheit und Anmut.
    Vom Cabana aus fuhr ich den Kai entlang, auf dessen Oberfläche meine Räder ins Rattern kamen. An seinem Ende machte ich kehrt, und wir fuhren wieder in die Stadt zurück. Weiter ging es auf der State Street, wo wir dasselbe noch einmal in umgekehrter Reihenfolge zu sehen bekamen. Beim Olive Grove bog ich nach rechts ab, an der alten Missionsstation von Santa Teresa vorbei und von dort aus in die Hügel, an deren Ausläufer sich das Anwesen der Maleks schmiegte. Ich spürte, wie Guys Interesse lebhafter wurde, als die Straße aufwärts führte. In dieser Gegend gab es viel unerschiossenes Land, und überall standen riesige Sandsteinfelsen und stachlige Kakteen herum, deren Blätter so groß waren wie fleischige Tischtennisschläger.
    Das Anwesen der Maleks lag kurz vor dem Übergang zum offenen Land, eine dunkelgrüne Oase in einer von blassem Gestrüpp überwucherten Gegend. In unregelmäßigen Abständen waren Brände mit spektakulären Flammenmeeren über die Hügel gerast, wobei die Feuersbrunst von Gipfel zu Gipfel heftiger wurde, Häuser und Bäume verschlang und jeden Fetzen an Vegetation auffraß. Nach diesen Bränden waren verschiedene Arten einheimischer Pflanzen aufgetaucht, zarte Schönheiten, die aus der Asche von Verkohltem und Totem erblühen. Nach wie vor konnte ich an den Bärentrauben den einen oder anderen

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