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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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anderem. Davon kriege ich solche Krämpfe, daß ich furzen könnte.«
    Ich lachte und wechselte das Thema. Eine Weile plauderten wir über Belanglosigkeiten. Während ich da auf dem Fahrersitz kauerte, fielen mir die gelegentlichen Verabredungen in meiner High-School-Zeit wieder ein, bei denen man nur dann auf ein bißchen Ungestörtheit hoffen durfte, wenn man sich im Auto irgendeines Jungen verkroch. An kalten Abenden beschlug immer die Windschutzscheibe, selbst wenn wir nur redeten. An warmen Abenden saßen wir mit heruntergekurbelten Fenstern da und hatten das Radio auf einen Rock-and-Roll-Sender gestellt. Es gab Elvis oder die Beatles, ungeschickte Bewegungen und sexuelle Spannung. Heute weiß ich nicht einmal mehr, worüber wir redeten, diese Jungs und ich. Vermutlich über nichts. Vermutlich tranken wir geklautes Bier, rauchten Dope und dachten über die unglaubliche Erhabenheit des Daseins nach.
    »Und was spielt sich sonst noch ab? Abgesehen von endlosen Besprechungen?« fragte ich. Wie bei einer rauhen Stelle an einem Fingernagel konnte ich es nicht lassen, wieder daran herumzukratzen. Offenbar ging es Guy genauso, weil wir sofort wieder beim Thema waren.
    Diesmal lächelte er, und sein Tonfall war lockerer. »Es ist schön, das Haus zu sehen. Ich habe mehrere Briefe von meiner Mutter gefunden und sie heute gelesen. Sie ist die einzige, die mir je gefehlt hat. Alle anderen sind überflüssig.«
    »Ich will ja nicht behaupten, daß ich Ihnen das gleich gesagt hätte, aber ich habe es vorhergesehen.«
    »Ich weiß, ich weiß. Ich dachte, wir könnten uns wie Erwachsene hinsetzen und ein paar alte Geschichten klären, aber so läuft es eben nicht. Ich meine, ich frage mich andauernd, ob ich irgendeinen Defekt habe, weil alles, was ich anfange, irgendwie schiefläuft. Was ich auch sage, es wirkt >daneben<, wissen Sie? Sie sehen mich an, als spräche ich in Rätseln, und dann sehe ich, wie sie bezeichnende Blicke wechseln.«
    »Oh, das kenne ich. Jack und Bennet sind ganz groß darin, Blicke hin und her wandern zu lassen.«
    »Das ist zu verkraften, aber es gibt noch Schlimmeres.«
    »Was zum Beispiel?«
    »Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Etwas Unterschwelliges. Etwas steht im Raum, und niemand gibt es zu, also fange ich an, meinen eigenen Gedankengang zu hinterfragen. Vielleicht bin ja ich verrückt und doch nicht sie.«
    »Nennen Sie mir ein Beispiel.«
    »Etwa, als ich ihnen gesagt habe, daß ich gern der Kirche etwas geben würde. Ich will das Geld wirklich nicht für mich haben. Das ist mein Ernst. Aber Jubilee Evangelical hat mir das Leben gerettet, und ich möchte ihnen etwas zurückgeben. Mir kommt das nicht so abwegig vor. Ihnen etwa?«
    »Nein, ganz und gar nicht.«
    »Also, ich sage das, und auf einmal stecken wir mitten im Machtkampf. Bennet sagt, daß er es wirklich nicht fair findet. Sie wissen ja, wie er redet, auf seine leicht wichtigtuerische Art. >Unsere Familie ist nie religiös gewesen. Dad hat für unser aller Wohl gearbeitet, nicht zugunsten irgendeiner Kirche, von der er nie gehört hat.< All das bringt er in völlig vernünftigem Ton vor, und schon bald frage ich mich, ob mein Vorhaben überhaupt richtig ist. Vielleicht sind ihre Einwände begründet, und meine Werte sind pervers.«
    »Natürlich sind die Einwände Ihrer Brüder begründet. Sie möchten, daß Sie auf alle Forderungen verzichten, damit sie Ihren Anteil unter sich aufteilen können. Die drei wissen ganz genau, daß Sie Anspruch auf ein Viertel des Nachlasses Ihres Vaters erheben können. Was Sie mit Ihrem Anteil machen, geht Ihre Brüder nichts an.«
    »Aber warum bin ich dann die Zielscheibe für ihre ganze Wut?«
    »Guy, hören Sie auf. Tun Sie das nicht. Das ist jetzt das dritte Mal, daß Sie das gesagt haben. Fangen Sie nicht an, sich selbst Vorwürfe zu machen. Dieses hinterhältige Spielchen ist offenbar schon seit Jahren im Gange. Deshalb haben Sie ja wohl auch damals das Haus verlassen, um von alledem wegzukommen. Ich schwöre Ihnen, die drei haben sich schon genauso aufgeführt, bevor Sie gekommen sind.«
    »Sie finden, ich sollte abreisen?«
    »Ja, natürlich! Das sage ich doch schon die ganze Zeit. Sie brauchen sich die Beschimpfungen Ihrer Brüder nicht gefallen lassen. Ich finde, Sie sollten zusehen, daß Sie verdammt noch mal dort rauskommen, solange Sie noch Gelegenheit dazu haben.«
    »Ich würde es nicht >Beschimpfungen< nennen.«
    »Weil Sie es gewohnt sind«, sagte ich. »Und lassen Sie sich

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