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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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an, um das Fenster herunterzukurbeln und der Tasche einen Stoß zu versetzen. Ich ließ sie auf der Straße liegen, zusammengerollt wie eine Beutelratte, und fuhr zu meiner Wohnung.
    Als ich nach Hause kam, lagen zwei Zeitungen auf dem Trottoir. Ich hob beide auf und legte eine vor Henrys Hintertür, bevor ich in meine Wohnung ging. Ich schaltete ein paar Lampen an und schenkte mir ein Glas Wein ein, dann setzte ich mich an den Küchentresen und breitete die Zeitung vor mir aus. Die Geschichte stand auf der zweiten Seite und war in einem merkwürdigen Ton verfaßt. Ich hatte ein Märchen über Guys bisheriges Leben, seine Entfremdung von der Familie und seine darauffolgende spirituelle Wandlung erwartet. Statt dessen hatte Jeff Katzenbach mit quälender Detailtreue einen Katalog sämtlicher Sünden aus Guys Jugend zusammengestellt: zahllose Berichte über rücksichtsloses Fahren, Vandalismus, Trunkenheit und Erregung öffentlichen Ärgernisses sowie gewaltsame Körperverletzung. Manche Anklagepunkte gingen auf Straftaten vor seiner Volljährigkeit zurück und hätten gelöscht oder von den Gerichten unter Verschluß gehalten werden müssen. Woher hatte Katzenbach seine Informationen? Manches davon war natürlich öffentlich zugänglich, aber ich fragte mich, woher er wußte, wo er suchen mußte. Offensichtlich hatte ihn Max Outhwaites Hinweis auf Guys frühere Missetaten auf die richtige Spur gebracht. Beunruhigt mußte ich an die Akte mit Zeitungsausschnitten denken, die Bader Malek aufbewahrt hatte. War es möglich, daß Katzenbach sie zu sehen bekommen hatte? Damit wäre dann quasi zum zweiten Mal etwas durchgesickert. Das erste war die Tatsache von Guys Heimkehr; das zweite sein lückenloses Vorstrafenregister. Mir fiel auf, daß Katzenbach seine Enthüllungen in typisch journalistische Phrasen gekleidet hatte. Das Wort angeblich kam sechsmal vor, daneben vertrauliche Quellen, der Familie nahestehende Kreise, frühere Kumpane und Freunde der Maleks, die anonym bleiben möchten. Weit davon entfernt, Guys Glück zu feiern, würde die Öffentlichkeit ihm nun seinen plötzlichen Reichtum übelnehmen. Wenn man zwischen den Zeilen las, wußte man, daß Katzenbach Guy für einen unwürdigen Schuft hielt. Der Artikel ließ Guys momentane kirchliche Bindung eigennützig und unaufrichtig erscheinen, die ideale Zuflucht für einen Übeltäter, der darauf hoffte, in den Augen der Bewährungskommission gut dazustehen.
    Zum Abendessen machte ich mir ein warmes Sandwich mit einem hartgekochten Ei und jeder Menge Mayonnaise und hockte gerade kauend am Küchentresen, während ich den Rest der Zeitung überflog. Ich muß vertiefter gewesen sein, als ich dachte, da ich beim schrillen Läuten des Telefons erschrocken mein Sandwich beiseite warf. Ich packte den Hörer, und das Herz klopfte mir, als hätte soeben jemand an meinem Ohr eine Pistole abgefeuert. Falls es ein Reporter sein sollte, würde ich auflegen. »Ja?«
    »Hey.«
    »Ach du Scheiße. Guy, sind Sie das? Sie haben mich zu Tode erschreckt.« Ich beugte mich hinab, sammelte die Überreste meines Sandwichs auf, stopfte die Kruste in den Mund und leckte mir die Finger ab. Mayonnaise war auf den Fußboden getropft, aber darum konnte ich mich später kümmern.
    »Ja, ich bin’s. Wie geht’s?« sagte er. »Ich habe schon früher mal versucht, Sie zu erreichen, aber da waren Sie wohl weg.«
    »Gott sei Dank, daß Sie anrufen. Ich war vorhin drüben am Haus, aber auf mein Klingeln hat kein Mensch reagiert. Was ist denn los?«
    »Wir haben gerade zu Abend gegessen. Haben Sie die Nachrichten gesehen?«
    »Die Zeitung liegt vor mir.«
    »Nicht so gut, was?«
    »So schlimm ist es nun auch nicht«, sagte ich in der Hoffnung, ihn damit aufzuheitern. »Es sieht ganz danach aus, als hätte es jemand auf Sie abgesehen.«
    »Das glaube ich auch«, sagte er leichthin.
    »Geht’s Ihnen gut? Peter hat vor kurzem angerufen. Er hat versucht, Sie zu erreichen, aber er ist nicht über den Anrufbeantworter hinausgekommen. Haben Sie seine Nachricht erhalten?«
    »Nein, wie sollte ich? Alle hier sind stinksauer auf mich. Sie bilden sich ein, ich hätte die Zeitung verständigt, weil ich die Aufmerksamkeit auf mich lenken wollte. Später ist großer Kriegsrat angesagt, wenn Donovan nach Hause kommt. Er hat bis neun noch eine Besprechung. Die Verzögerung macht mich ganz krank. Erinnert mich an die alte Geschichte: >Warte nur, bis dein Vater nach Hause kommt, dann kannst du was erleben.<«
    Ich

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