Goldhand (Ein Artesian Roman) (German Edition)
Scharlatan!“
Hockster begegnete Madigans Blick. „Das mag sein, aber Gesinnung und Charakter jedes einzelnen zu überprüfen, um ihm dann die Erlaubnis zu geben, ein Teil der neuen Schulen zu werden, gehört nicht zu meinen Absichten. Ausschlaggebend ist allein die Bereitschaft, zu lernen und zu lehren. Es geht um das Wissen der Menschen, Madigan, nicht um Anstand und Gesetzestreue.“
„Dann willst du auch Mörder aufnehmen, Diebe, Kinderschänder, Falschspieler und Räuber?“
„Natürlich! Komm. Wir wollen zurück zum ‚Ritter‘ gehen. Es wird Abend.“ Einige Zeit liefen beide schweigend nebeneinander her. „Du hast es noch nicht verstanden, oder Madigan?“
„Ehrlich gesagt, nein. Es wird Mord und Totschlag geben, wo auch immer du deine Schulen errichten wirst.“
„Das glaube ich nicht. Der Krieg bedroht uns alle, da bleibt keine Zeit für Verbrechen.“
„Du bist ein Träumer, Hockster. Das hatte ich nicht gewusst.“
Hockster sah zu Madigan auf und lächelte vergnügt. „Ist das denn so falsch?“
Madigan erwiderte Hocksters Lächeln. „Nein, wenn man träumen kann.“
Hockster war der Unterton in Madigans Stimme nicht entgangen. „Ich bringe es dir bei“, sagte er mit einem Lächeln.
„Ich fürchte, dafür ist es zu spät.“
Sie erreichten den Gasthof mit Beginn der Dämmerung. Hockster fragte den Wirt, ob Rok Talusien inzwischen zurückgekommen wäre. Delek schüttelte den Kopf und brachte ihnen Wein. Etwas später tischte der Wirt ihnen ein Nachtmahl auf. Hockster fand es ausgezeichnet. Die Schenke füllte sich mehr und mehr bis endlich auch der letzte Platz besetzt war.
Manchmal, wenn irgendjemand einige Stunden wartend verbringt, kommt es vor, dass gerade dieses stille aber angespannte Verhalten des Wartenden Aufmerksamkeit erregt und bisweilen kann es gar passieren, dass andere daran auf irgendeine Art und Weise Anstoß nehmen. In diesem Fall war es ein grober Klotz von einem Kerl, der sich langweilte. Mit vom Wein gerötetem Gesicht drängte er sich an den Tisch in der Ecke, an dem Hockster und Madigan saßen. Er stellte sich vor Hockster hin und sah mit gemeinem Grinsen auf ihn herab. „He, Zwerg. Es ist zwei Stunden vor Mitternacht. Lauf nach Hause zu deiner Mama!“ Er lachte und bald fielen andere mit ein, beobachteten erwartungsvoll die Auseinandersetzung, die sich anbahnte.
Madigan schenkte dem Fremden einen herablassenden Blick und wollte wohl auch etwas sagen, aber Hockster unterbrach sie. „Lass ihn“, mahnte er leise. „Er ist betrunken. Ich werde damit fertig.“
„Ich bin nicht betrunken, Zwerg. Aber du bist entschieden nicht zu klein, um eins aufs Maul zu kriegen.“
„Ja, zeigs ihm, Ornil“, reif jemand von hinten.
Hockster seufzte und stand auf. Er hatte nicht viele Alternativen. Es musste ihm irgendwie gelingen, diesen Ornil mit seinen eigenen Waffen schlagen. Faustschläge und Tritte kamen nicht in Frage, aber in Sachen Hohn und Spott hatte Hockster sein Leben lang soviel einstecken müssen, dass er sich zu den wenigen Menschen zählte, die alles darüber wissen. Wenn er diesem Ornil nur tüchtig zusetzen würde, musste sich die Situation ändern und die unbeteiligten Zuschauer würden sich ziemlich bald auf seine Seite schlagen. Leider würde das dem guten Ornil gar nicht schmecken, sein Ansehen vor seinen versammelten Freunden und Spießgesellen würde großen Schaden nehmen. Aber das war nun nicht mehr zu ändern. „Dein Name ist Ornil?“
„So ist es“, erwiderte der Mann.
„Dann weißt du sicher auch, wer Ornil war?“
„Was? Nee? Ich!“
„Ein ungebildeter Dummkopf, der die Geschichte seines Namens nicht kennt“, sagte Hockster und lächelte freundlich zu dem Riesen hinauf. Im Hintergrund lachte eine Frauenstimme.
„Du nennst mich ...“
Hockster hob die Hand. „Ich will dir die Geschichte gern erzählen. Ornil war der dritte Markgraf von Gelstein und lebte vor etwa dreihundert Jahren drunten im Loebtal. Kannst du mir folgen? Gut, dann weiter. Wie seine Vorfahren wurde der gute Ornil im Alter von 35 Jahren verrückt – und was tat er? Er ließ sich mit seiner Lieblingsstute vermählen, lebte im Stall bei seinen angetrauten Verwandten und fraß tagein, tagaus nur noch Hafer.“ Hockster begegnete fröhlich dem wütenden Blick Ornils. Lächelnd fügte er hinzu: „Du scheinst mir in direkter Linie von ihm abzustammen.“
Die ersten Zuschauer lachten leise. Andere fielen mit ein. Einer rief: „Schaut euch Ornil an. Der
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