Goldhand (Ein Artesian Roman) (German Edition)
Pferdes frei und ritt voraus.
„Ein seltsamer Kerl!“, murmelte der Kaufmann verärgert. Eman wendete sein Pferd und ritt den näher kommenden Wagen entgegen.
Etwa eine Stunde später kehrte Garlit Veitogan in Begleitung der Kundschafterin Tira zum Wagenzug zurück. Das Paar suchte und fand Eman Delles neben dem dritten Wagen, der von einer jungen, hübschen Frau gelenkt wurde. Der Kaufmann schien sich angeregt zu unterhalten. Als Eman jedoch seine beiden Wagenbegleiter auf sich zukommen sah, verabschiedete er sich hastig von der Frau und ritt ihnen entgegen.
„Was gibt es?“, fragte er, noch ehe sein Pferd stillstand.
„Nichts. Alles ist ruhig“, erklärte Tira. „Du kannst auch diese Nacht sorglos schlafen, Dicker.“
„Nenn mich nicht so! Wenn meine Leute das hören, verlieren sie den Respekt.“
„Die Namen, die sie dir gegeben haben, zeugen noch von weit weniger Respekt dir gegenüber“, erklärte Tira und schmunzelte. „Möchtest du eine Kostprobe.“
„Nein, danke, Tira.“
Garlit wies nach Westen. „Ein Kilometer voraus ist eine Senke, dort werden wir die Nacht verbringen.“
„Gut! Ich gebe den anderen Bescheid.“
Als die Nacht anbrach, brannten die ersten Lagerfeuer. Auch Tira und Garlit hatten ein Feuer entfacht, gleich nachdem sie ihre Pferde versorgt hatten. Als sie gegessen hatten, trat Eman in den Lichtschein. „Noch sieben Tage, wenn alles gut läuft, und wir erreichen endlich Diwenstein.“
„Die Stadt des Wissens und der Weisheit“, sagte Garlit.
„Spotte nicht, Veitogan“, mahnte Eman. „Was der kleine Beltrim bislang geleistet hat, ist aller Ehren wert.“
„Erzähl mir von ihm“, bat Tira.
„Na, mein schönes Mädchen, du wirst doch deinem alten Garlit nicht untreu werden.“
Tira betrachtete Garlit zweifelnd, er schenkte ihr ein strahlenden Lachen, das sie schließlich erwiderte. „Wer weiß ...“, sagte sie dann und hob vielsagend die Schultern.
Eman Delles ließ sich am Feuer nieder und nahm dankend den Teebecher entgegen, den Tira ihm reichte. „Hockster Beltrim ist ein kleiner Mann, gemessen an seiner Körperlänge, nicht größer als ein Zehn- oder Zwölfjähriger, aber er hat eine Vision. Er glaubt fest daran, dass der Krieg, der im Süden begonnen hat, sich bald über ganz Heetland ausbreiten und alles vernichten wird. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Wissen der Menschen zu bewahren, bevor der Krieg es verschlingt. Er sagt, mit dem Krieg und der mit ihm einhergehenden Zerstörung werde auch alles Wissen verloren gehen, das über viele Genartionen hinweg angesammelt worden ist. Irgendwann, vielleicht schon in wenigen Jahrzehnten, wenn alle Städte zerstört und die Weisen und Gelehrten tot und vergessen sind, werden wir nicht einmal mehr wissen, wie man Häuser baut.“ Eman Delles machte eine kurze Pause. Sein Blick war in die Flammen gerichtet, gedankenverloren sprach er weiter. „Ich habe nie zuvor einen wie ihn gesehen. In ihm ist eine Kraft, die man in einem so kleinen Körper nicht vermuten würde. Ohne seine Einfallsreichtum und seinen Willen gäbe es kein Diwenstein, aber das seltsame ist, dass er nicht einmal ahnt, wie stark er ist. Ich glaube sogar, dass es ihn nicht kümmern würde, wenn man es ihm sagte, solange nur Diwenstein wächst und seine Bürger aus der wachsenden Stadt einen Ort des Wissens machen ..., solange seine Vision zur Wirklichkeit wird.“
„Wie soll das gelingen?“, fragte Tira neugierig.
„Es ist schon gelungen – nun ja, zum Teil wenigstens. Hockster verlangt von jedem, der sich in Diwenstein niederlassen will, dass er sein Wissen bewahrt, es zu Papier bringt oder an andere weitergibt – neben der Arbeit, die die Sicherung der Existenz verlangt. Ihr könnt euch denken, dass es Menschen gibt, die des Schreibens nicht mächtig sind, oder andere, die nicht genügend Zeit finden, dieser Aufforderung nachzukommen.“
Eman erkannte an den fragenden Blicken seiner beiden Zuhörer, dass er nicht verstanden worden war. „Ich will euch ein Beispiel nennen.“ Nachdenklich kratzte er sich das Kinn. „Ein Schmied benötigt seine ganze Kraft und Zeit, um sein Handwerk zu verrichten. Wenn die Sonne untergeht, wird es ihm kaum gelingen, Hammer und Amboss gegen Feder und Papier auszutauschen. Ein Schmied wird nicht schreiben, aber er kann lehren.“
„Nun, das ist nichts neues, Delles“, sagte Garlit.
„Warte! Also hat Hockster entschieden, ihm einen aufnahmefähigen, willigen Lehrling an die Seite zu
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