Goldhand (Ein Artesian Roman) (German Edition)
stellen, der nichts anderes zu tun hat, als die Schmiedekunst zu erlernen und jedes bisschen Wissen, das er von seinem Meister erhält, zu Papier zu bringen. Genauso verhält es sich mit jedem anderen Handwerk. ...“
„Aber wovon lebt der Lehrling?“, fragte Tira, die schnell den Schwachpunkt an dieser Lösung gefunden hatte.
„Der Schmied bezahlt den Lehrling für dessen Arbeit. Später, wenn der Lehrling selbst ein Meister ist, wird er einen Teil seiner Einnahmen an seinen Lehrer zurückzahlen. Aber das ist noch nicht alles. Inzwischen gibt es eine kleine Bibliothek in Diwenstein. Ein Gelehrter aus Brakant hat sie entworfen. Jeden Abend treffen sich Gleichgesinnte und tauschen sich aus. Zirkel nennt Hockster diese Zusammenkünfte.“
„Was tun diese Zirkel?“, fragte Garlit interessiert.
„Sie tauschen ihr Wissen untereinander aus, festigen, was sie gelernt haben und erfahren Neues. Oder sie schließen sich anderen, fremden Zirkeln an, um ihre Bildung auch auf andere Bereiche auszudehnen.“
„Das klingt nach einer nie enden wollenden Angelegenheit.“
„So ist es. Doch es gibt niemanden in Diwenstein, der etwas anderes tun wollte. Sie alle verbindet diese einzigartige Idee, ein Zentrum der Wissenschaft ohne Begrenzung zu errichten. Dieser Geist ist immer und überall spürbar. Ihr könnt mich auslachen, wenn ihr wollt, aber ich weiß, dass wir einen besonderen Platz in der Geschichte einnehmen werden.“
„Ach ja?“, erwiderte Garlit zweifelnd. „Welcher Platz sollte das wohl sein?“
Es war Tira, die für Eman antwortete. „Wenn du zugehört hast, mein Lieber, wirst du die Antwort schnell finden.“ Dann wandte sie sich an den Kaufmann. „Wovon leben diejenigen in Diwenstein, die kein Handwerk gelernt haben?“
„Tira“, unterbrach Garlit, „wenn ich dich so reden höre, kommt mir der Gedanke, dass du dich nach einer neuen Heimat umsiehst, die wohl möglicherweise Diwenstein heißen könnte.“
„Und was wäre daran schlecht?“
„Du, meine Liebe, bist eine Kundschafterin und Diebin. Unser Wissen ist für die Allgemeinheit nicht von Interesse.“
Eman schüttelte den Kopf. „Es gibt keine Beschränkungen! Jeder, wirklich jeder ist in Diwenstein willkommen. Hockster glaubt, dass ein jeder von uns etwas besitzt, das weiterzugeben sich lohnt und das erhalten werden soll. Er sagt: Wissen ist rein! Erst wenn wir es benutzen, entscheidet sich, was daraus wird. Seht mich an, ich bin Karawanenführer. Was glaubt ihr, mache ich jeden Abend zwischen Essen und Schlafen?“
„Du willst doch nicht sagen, ...“
„Oh doch. Ich schreibe auf, was ein guter Karawanenführer wissen muss, um erfolgreich zu sein. Und je mehr ich niederschreibe, desto mehr gibt es, das weiterzugeben sich lohnt.“
„Ha, das ist lächerlich“, rief Garlit amüsiert.
„Nein!“, erwiderte Eman ernst. „Versuch es und du wirst sehen, dass ich recht habe.“
„Aber was ist mit Mördern und Gaunern, was weiß ein Scharlatan, ein Quacksalber oder Betrüger? Was könnte unser Garlit hier beitragen?“
„Woher soll ich das wissen?“, antwortete Eman. „Schließlich bin ich kein Dieb! In Diwenstein lebt ein Söldner, der einmal Offizier war. Er weiß alles über die Kriegführung und schreibt es nieder. Abends erzählt er Geschichten aus seinem Leben. Blutrünstige, brutale Darstellungen vom Krieg, aber auch hübsche Geschichten von Helden aus längst vergangenen Zeiten. Die Leute geben ihm Geld dafür, wovon er dann leben kann.“ Eman sah, dass er seine beiden Zuhörer nicht überzeugt hatte. „Seht, anfangs habe ich selbst nicht geglaubt, dass Hocksters Idee sich durchsetzen würde, aber ich habe mich getäuscht. Alle Bürger Diwensteins leben in der jungen Stadt wie in jeder anderen, aber alle verbindet der Wunsch, ihr eigenes Wissen zu bewahren und neues Wissen zu erlangen. Und ich glaube, im Fehlen jedweder Beschränkung liegt die besondere Kraft von Hocksters Vorstellung. Jeder ist willkommen und jedermanns Wissen ist wichtig. Tira, du hast eben gefragt, wie es mit Mördern und Betrügern ist – sie werden behandelt wie jeder andere. Die Vergangenheit zählt nicht mehr, solange sich jeder an die Gesetze des Zusammenlebens hält. ...“
„Ich dachte, es gibt nur ein Gesetz“, unterbrach Garlit.
„Nur eins, was den Erhalt des Wissens betrifft. Das Zusammenleben regelt sich in unserer Stadt wie in jeder anderen. Wer die Menschenrechte verletzt, wird bestraft.“
„Von wem?“
„Anfangs erledigten
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