Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
dienstfertige Herren verlassen kann, die gerne einer, durch ein Unglück ihrer gesamten Familie beraubten Dame hilfreich zur Seite stehen.“
Sie zwinkerte und fuhr fort:„Leider hatte ich im Gegensatz zu dir keinen Plan, wie ich ein anderes Leben führen könnte. Der einzige Plan, der sich mir immer wieder in den Sinn drängte, nein, eigentlich niemals aus meinen Gedanken verschwand, war der, mich und meine Familie zu rächen. Ich hatte es mir in den ersten Tagen auf dem 'Sturmvogel' geschworen und nie vergessen, obwohl mir klar war, dass ich noch viele Jahre würde warten müssen, um diesen Plan erfolgreich umzusetzen. Doch nun ist die Zeit gekommen. Ich bin überzeugt, dass es mir jetzt gelingen kann. Während all der Zeit in St. Petersburg habe ich dich gesucht, doch nicht nur, weil ich dich gerne wiedersehen wollte, sondern auch, weil ich hoffte, dass du mir helfen würdest. Denn du hast ebenfalls eine Rechnung offen mit Käpt’n Ferdinand und seiner Meute.“
Sprach sie und schloss, mild blickend, als hätte sie gerade die besten Segenswünsche ausgesprochen, aber ihre wild gestikulierenden Finger gemahnten Piotr an eine hungrige Raubkatze.
„Was ist dein Plan?“ Piotr Petrowitsch lauschte gespannt dem Trommeln ihrer Hände. Die eigenen Rachegedanken hatten sich in Luft aufgelöst, nachdem er seinen Platz im Leben gefunden hatte. Ja, mehr noch, er war nun sogar froh, wie alles verlaufen war, nahm selbst Ferdinand nichts mehr übel, denn wäre es nicht so gekommen, säße er jetzt vielleicht immer noch auf dem „Sturmvogel“ oder ginge betteln. Dennoch würde er Wil einen Gefallen nicht abschlagen. Schließlich hatte sie ihm das Leben gerettet und dadurch den größten Anteil an seinem jetzigen Glück.
„Ich will sein Schiff!“ Die Antwort kam ohne Zögern, leise, aber bestimmt.
„Wie bitte! Bist du ganz bei Trost?“ Der Goldschmied sprang überrascht von seinem Stuhl auf und beugte sich aufgelöst zu ihr herunter. „Was willst du denn damit anfangen?“
„Nun, ich denke, das wäre eine angemessene Entschädigung, und viel besser, ich könnte wieder Geld verdienen.“
Piotr Petrowitsch verschluckte sich fast an seiner Zunge. „Wie das?“
„Ach, Mensch, natürlich als Kapitän. Was dachtest du denn?“ Wil lächelte amüsiert.
Petrowitsch glaubte sich verhört zu haben. „Du? Als Frau?“
„Wieso nicht? War ich denn früher kein vollwertiges Mitglied der Mannschaft?“ Wil grinste nun breit.
„Ähm, doch, aber... äh...“ Richtige Gründe für seine Skepsis mochten ihm nicht einfallen, aber alleine die Vorstellung, Wil als Kapitänin eines Piratenschiffes zu sehen, erschien ihm ungeheuerlich. „Wie stellst du dir das vor? Willst du dich für den Rest deines Lebens als Mann ausgeben?“
„Nein, lieber Peter, ich denke gar nicht daran. Ich werde als Frau das Schiff und die Mannschaft führen und werde so leben, wie ich immer gelebt habe. Du weißt, ich kann nichts anderes und ich bin zu alt, um Nähen, Klöppeln oder Latein zu lernen.“
„Aber eine Frau wie du findet doch garantiert einen Mann, der sie unterhalten kann, hm?“
„Glaubst du wirklich irgendein gutsituierter, bürgerlicher Mann kann mir im entferntesten das Wasser reichen, einer Frau, die den größten Teil ihres Lebens auf einem Piratenschiff verbracht und wie ein Mann gekämpft hat?“
„Na ja, wenn du es nicht erwähnst und dir angewöhnst, dich wieder etwas fraulicher zu geben...“
„Peter!“, unterbrach Wil ihn zornig funkelnd. „Du begreifst anscheinend nicht. Ich habe mich fast mein ganzes Leben hindurch verstellt, um wie ein Mann zu wirken. Ich werde mich jetzt nicht erneut verstellen, um als anständige Frau zu gelten. Ich werde das sein, was ich bin.“
„Nun ja, hm...“, murmelte der Goldschmied kleinlaut. „Aber wie willst du das anstellen?“
„Ich werde die Mannschaft dazu bringen, sich Ferdinands zu entledigen und mich als neuen Kapitän zu akzeptieren. Sie kennen mich, und ich denke, dass sie nicht lange brauchen werden, mich als Kapitän und Frau anzunehmen. Es wäre schön, wenn du mir dabei helfen würdest. Du hast ebenfalls mitbekommen, wie unehrenhaft Ferdinand gehandelt hat und wenn du das bestätigen kannst, werden sie sicher bald zu überzeugen sein.“
„Also gut. Ich werde mit dir gehen und dich unterstützen. Allerdings kann ich das Geschäft hier nicht unendlich lange meinem Gesellen überlassen. Ich werde dir helfen, bis du dein Ziel
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