Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
einen eleganten Eindruck auf mich, hatte kleine bunte Butzenscheiben und eine leicht geschwungene gusseiserne Türklinke mit einem Löwenkopf am Klinkenende, war ebenso weiß wie das Haus. Doch das Innere des Hauses, welches sich mir nun zeigte, nachdem ich den Eingangssalon betreten hatte, überraschte mich. Es hätte eher zu einer altehrwürdigen Burg mit dicken Mauern oder einer robusten Blockhütte gepasst. Das erste, was mir auffiel, war die Dunkelheit. Ich erkannte zwar genügend Lampen, aber nur die Hälfte von ihnen brannte. Durch die Auskleidung des Hauses mit dunklem Holz, sowohl die Diele, als auch die Treppe, die Wände, die Möbel, eigentlich alles bestand daraus, hatte das Ganze ein bisschen die Atmosphäre einer Räuberhöhle, was durch die an den Wänden hängenden Geweihe und Gewehre noch verstärkt wurde. Gleichzeitig war es jedoch auf eine Art urgemütlich. Erst jetzt, als mein Puls schneller ging, merkte ich, dass ich mich darauf freute, in diesem Haus zu wohnen.
Mit genauerem Hinsehen erkannte ich weitere Einzelheiten in diesem dunkelbunten Wohnwirrwarr. Die Wände hatten bis zur dreiviertel Höhe eine Holzverkleidung im Kassettenmuster. Darüber kam eine prachtvoll glühende Tapete mit dunkelrotem Untergrund und goldenen Blumenranken zum Vorschein. Über jeder der ellipsenförmig angeordneten Ranken prangte eine goldene Krone. Der innere Salon war von einer äußeren Galerie abgeteilt, welche unter der oberen Galerie verlief, zu der eine breite Treppe führte und die von hohen halbrunden, hölzernen Säulenbögen getragen wurde. Durch die Säulen hindurch entdeckte ich größere und kleiner Gemälde an der Wand, die allesamt Personen zeigten. Inwiefern diese Personen zur Familie gehörten, war mir nicht bekannt und interessierte mich zuerst einmal auch nicht. Das Geländer der Galerie und die Säulen waren reich mit Schnitzereien geschmückt, welche griechische Säulenpilaster und Amphoren, sowie diverse arabeske Dekorationen darstellten. Über den Rundbögen blickten jeweils drei präparierte Hirschgeweihe mit lebensechtem Hirsch in das Entrée hinab, während die Gewehre etwas tiefer an den Säulen befestigt waren. In einer Ecke der Eingangshalle stand ein großer schwarzer Konzertflügel mit der schwarzen riesigen Skulptur eines Adlers. Seine ausgebreiteten Flügel auf dem großen Piano gaben dem ganzen Arrangement etwas lauerndes, so als würde ein großes schwarzes Tier dort in der Ecke hocken.
Es war zwar alles ziemlich altertümlich und englisch, aber ich war mir trotzdem sicher, dass mir hier keine Gespenster begegnen würden. Apropos Gespenster, meine seltsamen Träume und das Zarengold hatte ich nach all den neuen Eindrücken und Erlebnissen beinahe vergessen, fast schien mir das, was ich jetzt sah, selbst wie ein Traum. Sollte ich Raik gleich danach fragen oder bis morgen warten? Ich entschied mich zu warten und gut zu schlafen.
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Tagebucheintragung vom 25.10.1987
Nach der Urlaubskatastrophe haben Olga und ich uns wieder angenähert. Die letzten zwei Wochen war sie sehr lieb zu mir, allerdings finde ich das, was sie redet, immer beängstigender. Sie sagt, ich soll sie Sophia Alexejewna nennen. Außerdem wühlt sie ständig in alten Büchern und Zeitschriften, die sie sich aus der Sowjetunion schicken lässt. Sie hat schon einen ganzen Ordner voller Notizen, Schnipsel und Karten. Letzteres wäre mir ja egal, wenn sie nur nicht immer so reden würde, als wäre sie jemand anderer. Ob sie vielleicht krank ist? Ich befürchte es, doch wage nicht, ihr gegenüber etwas anzudeuten. Aber was auch geschieht, wir werden es zusammen durchstehen oder untergehen. Neulich, wir hatten uns gerade nach furchtbar langer Zeit wieder geliebt, was mich sehr glücklich machte, weil ich glaubte, so etwas würde nicht mehr geschehen, da fragte sie mich, ob ich bereit wäre, ihr einen großen Liebesbeweis zu erbringen. Nun erbringe ich ihr eigentlich dauernd Liebesbeweise, die sie gar nicht bemerkt, aber natürlich sagte ich sofort ja. Da erzählte sie mir, dass es die Mauer bald nicht mehr geben würde und dass wir dann in den Westen könnten, um uns das Zarengold wiederzuholen. Ich weiß nicht, was sie damit meint, aber sie hat tatsächlich einen genauen Plan ausgearbeitet, wie das geschehen soll. Glücklicherweise wird es wohl kaum wahr werden, dass es die Mauer bald nicht mehr gibt, also lass ich sie reden. Sie kam sogar mal mit einem Brecheisen und einem Glasschneider an. Das Zeug hab
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