Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
einen entsprechenden monatlichen Beitrag beisteuern werde, so lange ich mich auf der Insel aufhalte, aber der Alte winkte nur ab.
„Du bist hier mein Gast und ich habe mehr als genug, um die ganze Stadt über Wochen zu verköstigen.“
Mein Mund musste wohl etwas offen stehen geblieben sein, denn jetzt lachte er amüsiert.
„Tja, das Glück, einen erfolgreichen Freibeuter als Ahnherr in der Familie zu haben, hat nicht jeder.“
An dieser Stelle fielen mir urplötzlich hundert Fragen ein, aber ebenso mein Notebook, das sich noch bei Christine befand. „Raik meinte, Sie würden für mich einige Sachen aus der Stadt holen?“ wandte ich mich an die Haushälterin.
Neda nickte: „Gerne. Sagen Sie mir nur, was Sie brauchen.“
„Ich benötige mein Notebook. Ich schreibe Ihnen die Adresse auf.“
Nedas Blick schweifte gleichmütig aus dem Fenster, bevor sie in ihren Toast biss.
Ich sprach nun wieder zu Onkel Albert und Raik. „Dieser Freibeuter muss ja wirklich sehr viel Beute gemacht haben. Ich wundere mich, dass diese in seinem bzw. in Familienbesitz bleiben konnte. Gibt es denn nur noch Geldwerte oder auch Originalstücke?“
Meine Frage erschien mir etwas unbeholfen, aber Albert antwortete bereitwillig und weitschweifend: „Ferdinand, so hieß der Urahn, bewahrte seine Beute gut versteckt in einer Höhle bei den Rügener Kreidefelsen auf. Man sagt, es sei dasselbe Versteck gewesen, welches schon Störtebecker für seine Schätze benutzt habe. Nur sein Sohn Karl kannte den Zugang und als er hörte, dass der Vater nicht mehr wiederkehren würde, da er auf See gelyncht worden war, machte er sich mit seinem Erbe davon und wurde hier sesshaft. Zum Glück war er nicht sehr verschwenderisch, sondern verwaltete das Erbe gut, so dass es inzwischen über mehrere Generationen weitervererbt und mit cleverer Anlage vergrößert wurde. Vieles liegt natürlich inzwischen als Geldwert auf der Bank, aber einige Originalstücke von damals befinden sich noch immer in Familienbesitz.“
„Hm, Familienbesitz, aber eigentlich ist das ganze Zeug doch gestohlen. Das mag zwar vielleicht verjährt sein, aber denkst du nicht daran, zumindest die Originalstücke wieder einem Museum des rechtmäßigen Landes zur Verfügung zu stellen?“
Die blaugeäderten Hände zitterten als sie die Kaffeetasse hoben. (Immerhin – andere trinken in diesem Alter aus Schnabeltassen.)
„Es ist schwer festzustellen, woher die Stücke kommen. Und weshalb sollte ich? Inzwischen ist es so etwas wie Familieneigentum. Erinnerungen und Traditionen sind damit verbunden.“
Raik sah mich strafend von der Seite an. Anscheinend hätte ich das nicht fragen sollen.
„Könnte es sein, dass einiges davon aus Russland stammt?“
„Durchaus möglich. Es ist bekannt, dass Ferdinand einige Male auf der baltischen See kreuzte.“
„Und woher weißt du das eigentlich alles, von Ferdinand?“
„Alte Familienchroniken und Recherchen. Wenn man nichts zu tun hat, ist Ahnenforschung ein netter Zeitvertreib.“ Die blassen runzeligen Augen blickten schalkig.
„Darf ich mir vielleicht die Stücke und die Chroniken mal anschauen?“, hakte ich vorsichtig nach.
„Sicher. Wende dich einfach an Raik, der weiß Bescheid. Und ich bin zu alt für lange Vorträge.“
Er setzte die Tasse auf dem Unterteller ab und winkte Neda, welche ihn in seinem Rollstuhl hinausfuhr. Damit war das Frühstück beendet.
***
Tagebucheintragung vom 31.03.1988
Liebes Tagebuch!(gestrichen)
Viel Neues gibt es aus meinem Leben nicht zu erzählen. Ich bin noch immer auf der Spur der perfekten Bratkartoffel und Olga redet noch immer wirres Zeug. Inzwischen schließt sie sich regelmäßig in ein Zimmer ein und veranstaltet dort magische Orgien auf Russisch. Sie ist der festen Überzeugung, dass es die Mauer bald nicht mehr geben wird und redet ständig von ihrem Zarengold, das ich ihr bringen soll. Das ist das einzige, worüber sie mit mir noch spricht. Ich habe in der Küche eine kleine Laborecke mit zwanzig verschiedenen Schmalztöpfen unterschiedlicher Konsistenz und Zugaben eingerichtet. Wenigstens sorgt Olga dafür, dass immer frische Kartoffeln im Haus sind, damit ich meine Experimente fortsetzen kann. In Basilikum und Rosmarin scheint großes Potential zu stecken. Allerdings bin ich mir über die Dosierung nicht im klaren. Letzten Freitag fand eine Betriebsfeier statt, wo mal wieder jede Menge getrunken wurde. Mein Werkleiter musste
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