Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
habe.«
»Wer hat noch aus deiner Flasche getrunken?«, hakte Kroll nach.
»Ich«, flüsterte Max Hamann. »Und wahrscheinlich auch der Rest unserer Stube. Die Flasche lag da ja einfach rum.«
»Wir nehmen die Sache nicht auf die leichte Schulter«, fuhr Wiggins fort. »Rechtlich gesehen ist das eine Vergiftung in mindestens 15 Fällen. Das ist schon etwas anderes als Falschparken.«
Die Jungs sahen die Polizisten schweigend an.
»Könnt ihr euch vorstellen, wer euch etwas Böses will?«, fragte Kroll.
Wieder synchrones Kopfschütteln.
»Ist in der letzten Zeit etwas Ungewöhnliches vorgefallen?«, hakte Kroll nach. »Es muss ja gar nichts sein, was für euch von besonderer Bedeutung war. Irgendetwas, was früher nicht da war. Wir müssen alles wissen.«
Max sah Ludwig lange an. Beide schienen ernsthaft nachzudenken. »Vielleicht die Sache mit Gesichtsbuch?«, fragte Max seinen Zimmergenossen.
»Das hat doch bestimmt nichts zu bedeuten«, wehrte Ludwig genervt ab.
»Gesichtsbuch?«, hakte Kroll nach.
»Sie meinen Facebook«, erläuterte Wiggins, dem das Internetnetzwerk und die Ausdrucksweise der Jugendlichen nicht fremd waren.
»Das ist doch übelst sinnlos!«, fuhr Ludwig dazwischen. »Facebook ist wirklich alles andere als kriminell. Das ist doch völlig normal! Die Kommissare wollen sicher nicht so einen Scheiß wissen. Wir alle sind seit 100 Jahren bei Facebook. Das ist doch nichts, was … Ach, was weiß ich!«
Wiggins Blick fiel auf das iPhone 4S, das auf Ludwigs Nachttisch lag. Er setzte sich, die Anweisungen der Schwester missachtend, neben Max auf die Bettkante. »Erzähl doch einfach mal. Was ist denn auf Facebook passiert? Habt ihr neue Freunde?«
Max schaute zu Ludwig, dem die Ablehnung des Hinweises seines Freundes ins Gesicht geschrieben stand.
»Also!«, forderte ihn Wiggins noch einmal auf.
»Ludwig hat recht. Es ist wirklich alles ganz harmlos. Und man sollte auch nicht grundlos irgendwelche Leute verdächtigen. Und schon gar nicht gegenüber der Polizei.«
»Das stimmt«, bestätigte ihn Wiggins. »Aber das macht ihr ja auch nicht. Erzähl doch einfach mal.«
Max schaute wieder kurz zu Ludwig. Er wollte sich dessen Billigung holen, die aber nicht kam. Aus seiner Stimme war die Verlegenheit deutlich herauszuhören. Er wurde wieder von einem starken Hustenanfall geplagt. »Also, es gibt da halt diesen Maschek«, erzählte er. Als sich sein Husten wieder gelegt hatte, wischte er sich mit einem Taschentuch den Mund ab und trank einen Schluck Wasser. »Der ist ein großer Freund des Thomanerchors, ein richtiger Fan von uns. Der nimmt halt über Facebook Kontakt mit einigen Thomassern auf. Aber das hat sicherlich nicht viel zu bedeuten. Es ist ja auch nicht verboten, uns gut zu finden.«
»Natürlich nicht. Ihr habt Fans in der ganzen Welt. Das wissen wir«, versuchte Kroll, dem Jungen das Reden zu erleichtern. »Aber ihr könnt doch trotzdem mal erzählen. Wir sind auch Fans von euch. Ich habe noch keinen Weihnachtsliederabend mit euch verpasst.«
Ludwig ergriff jetzt wieder das Wort. »Der Maschek, der schreibt uns so Konzertkritiken und so Zeugs. Der hat richtig Ahnung. Also, wenn der einen Auftritt von uns gesehen hat, dann schreibt er gleich allen, die mit ihm bei Facebook Freunde sind, dass wir toll waren und so.«
Kroll dachte mit einer gewissen Besorgnis daran, dass der Thomanerchor ungefähr 130 Auftritte im Jahr hatte. Maschek war sicherlich ein fleißiger User. Außerdem war ihm der Name nicht unbekannt. So häufig kam dieser in Leipzig nicht vor. Maschek musste der schleimige Anwalt sein, der ihn angezeigt hatte. Das war wieder typisch: Kümmert sich nicht um seine eigenen missratenen Kinder, aber kompensiert das auf andere Weise. »Habt ihr den schon mal persönlich kennengelernt? Ich meine, nicht nur übers Internet, also richtig getroffen?«
»Ich noch nicht«, beeilte sich Max Hamann zu beteuern.
Krolls Blick wanderte langsam zu Ludwig Fleischer. »Und wie sieht’s mit dir aus?«
Ludwig wurde verlegen. »Ab und zu mal. Aber nicht nur ich. Die anderen auch.«
»Wo habt ihr euch getroffen?«
»In der Stadt. Zum Kaffee.«
»Auch in privaten Räumen?«
»Nein!«, wehrte Ludwig energisch ab. Das›Wir sind doch nicht bescheuert!‹ konnte er gerade noch unterdrücken.
Wiggins drehte sich zu Ludwig. »Was ich nicht verstehe: Warum trefft ihr euch denn mit so einem alten Sack? Als ich in euerm Alter war, habe ich mit jungen Mädchen Kaffee getrunken.«
Ludwig
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