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Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)

Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Stammkötter
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Dr. Callidus steckte er gedankenverloren in seine Jackentasche.
    Paul kletterte als Erster hinaus. Georg folgte ihm. Als er auf der Mitte der Leiter stand, zog er den Fensterflügel wieder zu, zumindest so gut es ging.
     
    Kroll und Wiggins beschlossen, den aus Ermittlersicht ereignislosen Tag im ›Gonzales‹ in der Gottschedstraße ausklingen zu lassen. Sie setzten sich auf ihre Stammplätze am Ende der Theke und bestellten, wie immer, nichts. Nadine, die Inhaberin, wusste auch so, was sie tranken. Kroll ein Kristallweizen mit Zitrone und Wiggins ein Becks aus der Flasche. Wiggins streckte seine langen Beine aus und ließ die Augen durch die nähere Umgebung wandern. Das machte er immer so. Sein geschulter Blick scannte jeden Tisch und jeden Gast. Wiggins wollte immer wissen, mit wem er in einem Raum zusammensaß. Berufskrankheit. Dabei bediente er immer das gleiche Ritual. Er strich seinen Scheitel mit der Hand nach, nahm die Brille ab, rieb sich die Augen mit Daumen und Zeigefinger und kontrollierte seine runde Brille auf Verschmutzungen.
    »Ihr wart ja heute groß in der Zeitung«, strahlte Nadine begeistert, während sie die Getränke in Griffweite platzierte.
    »Wir können uns leider nicht jeden Tag mit alten Knochen beschäftigen«, scherzte Kroll. »Aber jetzt sind wir natürlich gefragte Leute. Alle wollen wissen, wo die rechte Hand von Bach ist.«
    »Kann ich mir vorstellen. Und … findet ihr den Grabschänder?«
    Wiggins nahm nachdenklich sein Becks in die Hand und prostete Kroll zu. »Wir kriegen sie doch alle. Früher oder später.« Er lächelte und sah seinen Kollegen an. »Diesmal vermutlich später.«
    »Ach, kommt schon. So redet ihr doch immer. Bei jedem Fall. Und dann löst ihr ihn doch noch in wenigen Tagen. Ich finde, ihr seid manchmal richtige Tiefstapler.«
    »Es kann ja nicht nur Hochstapler geben«, bemerkte Wiggins süffisant. »Ich erinnere mich noch genau daran, dass es in Leipzig mal zu viele von der Sorte gab.«
    Nadine signalisierte mit einem gequälten Lächeln, dass Wiggins recht hatte. Sie stellte Getränke auf ein Tablett. »Ich mach jetzt mal meine Runde.« Bevor sie losging, sah sie Kroll an. »Wenn du rauchen gehst, sag mir Bescheid.«
    Wiggins leerte den letzten Schluck aus seiner Flasche. »Sag doch mal ehrlich, Kroll. So einen Scheißfall hatten wir noch nie: Keinen Mord, keine Verwandten, keine Anhaltspunkte, keine Zeugen, keine Spuren, keine Verdächtigen, … aber dafür viel Aufmerksamkeit.«
    Kroll stellte das Weizenbier ab, das er schon halb ausgetrunken hatte. »Keinen blassen Schimmer, hast du vergessen!«
    Magda, die hübsche Bedienung, die in dem hinteren Raum zu tun hatte, umarmte die Polizisten von hinten und gab ihnen einen Kuss auf die Wange. »Lässt Nadine euch hier verdursten? Das Gleiche wie immer?«
    Die Kommissare nickten und Magda bereitete den Nachschub vor.
    Kroll nahm das Gespräch mit Wiggins wieder auf. »Ich habe auch lange über den Fall nachgedacht. Ich finde, jetzt müssen wir ein bisschen flexibel sein. Reis hat uns die Sache anvertraut und das können wir durchaus als Ritterschlag empfinden. Auch wenn wir eigentlich nicht zuständig sind, muss man doch ehrlich zugeben, dass es für so ein Verbrechen, oder besser gesagt, für zwei solche Verbrechen, überhaupt keine Zuständigkeiten gibt. Also, tun wir unser Bestes.«
    Wiggins fühlte sich missverstanden. »Aber Kroll, du weißt doch, dass ich das immer tue. Natürlich zieht sich hier keiner hinter irgendwelche Zuständigkeiten zurück. Ich wollte nur sagen, dass wir auch Neuland betreten. Wir können eben nicht nach den Mustern arbeiten, die wir seit Jahren anwenden. Das hier ist etwas ganz anderes, etwas ganz Neues.«
    »Ich weiß, ich weiß«, beschwichtigte Kroll. Er tippte mit seinem Weizenbierglas gegen Wiggins Flasche. »Lass uns einfach unsere Arbeit machen. Ich bin mir sicher, dass wir nach und nach auch dieser komischen Geschichte auf den Grund kommen. Irgendwie hat die ganze Sache meinen Jagdinstinkt geweckt. Wir müssen unsere ausgetrampelten Pfade verlassen. Wahrscheinlich ist die Lösung, wie immer, ganz einfach. Straftäter sind meist nicht die Allerschlauesten.«
    Wenn du dich da mal nicht täuschst, dachte Wiggins.
    »Ich sehe, die Elite unseres Ermittlungsapparates hat sich hier versammelt«, ertönte hinter ihnen eine Stimme. Sie gehörte Günther Hirte, dem Lokalredakteur der Leipziger Tageszeitung, mit dem sich die Polizisten inzwischen angefreundet hatten. Wie immer

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