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Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)

Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Stammkötter
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durchgehen. Nur zur Sicherheit!«
    Paul verdrehte die Augen. »Das kostet dich einen Latte!«
     
    Wie so häufig in letzter Zeit, wurde er schwermütig, wenn die Dunkelheit einbrach. Er stellte das Rotweinglas auf dem kleinen Tischchen neben sich ab und registrierte ein wenig erschrocken, dass die Flasche schon fast leer war. Mal wieder. Er widmete sich erneut dem hellblauen Fotoalbum und blätterte es langsam durch. Von Anfang bis Ende. ›Das Glück hat einen Namen‹, stand auf dem Zeitungsausschnitt, den er aus der Tageszeitung ausgeschnitten und auf der ersten Seite aufgeklebt hatte. Darunter hatte er das Kettchen mit dem Namen seines Sohnes eingeklebt, das nach dessen Geburt an seinem kleinen Handgelenk befestigt worden war, damit die Kinder im Krankenhaus nicht verwechselt wurden. Auf den nächsten Seiten folgten unendlich viele Fotos. Der Junge mit dem stolzen Papa, der stolzen Mutter, mit Oma, Opa, Tante, Onkel und den restlichen Verwandten. Der erste Geburtstag, das erste Weihnachtsfest. Unter fast jedes Foto hatte die Mutter einen lustigen Kommentar geschrieben.
    Damals hatte er es sich nicht vorstellen können, wie sich die ganze Sache entwickeln würde. Nicht vorstellen? Er hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, nicht einmal in seinen quälendsten Albträumen. Und jeden, der ihm das prophezeit hätte, hätte er postwendend für bescheuert erklärt. Aber jetzt musste er mit dieser schrecklichen Wirklichkeit leben und konnte nichts dagegen tun. Oder doch?

Mittwochmorgen
    Krolls Kopfschmerzen hielten sich an diesem Morgen in Grenzen. Er hatte Schlimmeres befürchtet, denn sie hatten mehr Weizenbiere und vor allem mehr Tequilas getrunken, als sie eigentlich beabsichtigt hatten. Aber ihr Freund Günther Hirte war manchmal schwer zu bremsen und irgendwie war es ein gemütlicher Abend. War doch alles gutes Zeug, dachte Kroll beruhigt, als er den Eingang des Präsidiums im Peterssteinweg betrat. Er begrüßte Wiggins, der im Büro schon auf ihn zu warten schien. »Lass die Jacke gleich an, Kroll. Callidus hat angerufen. Wir sollen sofort ins Alumnat kommen.«
    »Hat er gesagt, warum?«, fragte Kroll, als sie schon auf dem Flur waren. Wiggins schüttelte den Kopf. »Nein, aber er machte einen verstörten Eindruck.«
     
    Sie staunten nicht schlecht, als ihnen auf dem Flur eine junge Frau, Kroll taxierte sie auf Ende 20, entgegenkam. Ihre braunen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, der lustig von ihrem Hinterkopf abstand und jeden Schritt schwungvoll begleitete. Sie hatte eine sportliche Figur, Hürdenläuferin, dachte Kroll, trug enge Jeans und einen roten Pullover mit V-Ausschnitt, unter dem kein Kleidungsstück zu erkennen war. Sie lächelte freundlich zur Begrüßung. Krolls Körperscanner lief auf Hochtouren. Er registrierte ein tadelloses Gebiss und weiße Zähne auf der Habenseite seiner geistigen Liste. Die Hand, die sie ihnen entgegenstreckte, fühlte sich zart, schlank und warm an. Die Pluspunkte auf Krolls geistiger Liste häuften sich. Der Umstand, dass sie keinen Ring trug, wurde unter Bigpoint notiert.
    »Sie müssen die Herren von der Polizei sein. Mein Name ist Anja Gans.«
    »Ganz wie halb?«, scherzte Kroll.
    »Leider eher wie Ente«, reagierte sie prompt, sie war derartige Spielchen mit ihrem Namen wohl schon gewohnt. »Herr Dr. Callidus führt gerade noch ein Telefongespräch. Wenn Sie mir bitte kurz in mein Büro folgen würden.«
    »Gern«, erwiderte Kroll, dankbar, den Scannvorgang mit der Betrachtung der noch fehlenden Rückansicht abschließen zu können. Als er ihr ins Büro folgte, atmete er unauffällig in seine hohle Hand, um zu kontrollieren, ob er nach Alkohol roch. Ein Königreich für ein Pfefferminzbonbon.
    Sie nahmen an einem kleinen Besprechungstisch Platz. Kroll sah sich im Büro um. »Warum haben wir Sie noch nie gesehen? Wenn Sie ein eigenes Büro haben, sind Sie ja wahrscheinlich häufiger hier.«
    »Auch im Thomanerchor hat man mal Urlaub. Ich hatte mir ein paar Tage freigenommen.«
    »Dürfen wir fragen, was Sie hier machen, ich meine natürlich, welche Aufgaben Sie erledigen?«, schaltete sich Wiggins ein.
    »Meine offizielle Berufsbezeichnung ist ›Persönliche Referentin der Alumnatsleitung‹. Auf gut Deutsch könnte man sagen, die rechte Hand von Dr. Callidus, oder noch besser: Mädchen für alles.«
    Kroll verdrängte die unanständigen Fantasien, die sich auf Grund der letzten Bemerkung gerade in seinem Kopf breitmachen wollten. Den

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