Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
reden. Nur weil sie mal beiläufig gesagt hatte, dass Kroll ein attraktiver Mann sei, bedeutete das ja noch lange nicht, dass sie gleich einen Abend mit ihm verbringen wollte. Vielleicht hatte Kati auch nur übertrieben. Wäre ja nicht das erste Mal gewesen. Kroll wurde immer mulmiger. Er versuchte, sich in Erinnerung zu rufen, was eigentlich für das Treffen heute Abend sprach: Er würde sich mal privat mit Anja treffen und wenn Kati das arrangieren konnte, war das sicherlich auch kein Zufall. Und Kati würde schon für einen lockeren Abend sorgen. Das war immer so. Und außerdem: Wer eine hübsche Frau kennenlernen wollte, der musste auch ein bisschen Mut mitbringen und durfte keine Angst vor einer Abfuhr haben. Was hatte er schon zu verlieren?
Kroll fuhr sich noch einmal durch die Haare und öffnete die Tür. Das ›SPIZZ‹ war bis auf den letzten Platz gefüllt. Endlich entdeckte er Kati und Anja an einem kleinen Tisch im hinteren Teil des großen Raumes. Sie unterhielten sich lebhaft, wobei sie ab und zu an einem langen Strohhalm zogen. Weil die Cocktailgläser schon fast leer waren, vermutete Kroll, dass sie schon länger da waren. Neben ihnen stand ein unbesetzter Stuhl.
Kroll ging zu ihnen und begrüßte Kati mit einem Kuss auf die Wange und Anja mit einem Handschlag. »Darf ich mich zu euch setzen?«
»Wir haben schon sehnsüchtig auf dich gewartet«, übertrieb Kati überschwänglich. Anja Gans lächelte ein wenig verlegen. Sie schien Katis Euphorie nicht zu teilen.
Kati hatte beschlossen, das Gespräch an sich zu reißen, was Kroll recht war. »Du musst unbedingt den Caipi probieren. Der ist hier einfach klasse!«
»Ich glaube, ich nehme erst mal ein Bier«, sagte Kroll und sah sich nach der Kellnerin um.
Er schaute Anja Gans an. »Ich wusste gar nicht, dass wir eine gemeinsame Freundin haben. Da können wir doch zum Du wechseln. Ich fürchte, das wird mir sonst zu kompliziert heute.«
»Gern, unbedingt«, stimmte Anja freudig zu. »Ich bin auch überrascht, dass ihr euch näher kennt.«
»Das liegt doch nur daran, dass sich diese treulose Tomate nie sehen lässt«, mischte sich Kati ein. »Wenn ich ihn nicht so gern hätte, würde ich ihn mit dem Hintern nicht mehr angucken.«
»Kati ist wirklich außergewöhnlich tolerant und geduldig. Das waren schon immer ihre größten Stärken«, grinste Kroll.
Die Bedienung brachte Krolls Bier. Eine kleine Flasche Becks.
Kati kam das Auftauchen der Bedienung gelegen. »Wir hätten gern noch zwei Caipis.«
»Ich glaube, ich nehme erst mal einen Kaffee«, widersprach Anja leise.
»Ach, Quatsch. Einen schaffen wir noch! Nach Kaffee kann man doch nicht schlafen!«
»Aber der … « Sie sah Kroll fragend an. »Wie heißt du eigentlich mit Vornamen?«
»Nenn mich bitte einfach Kroll! Das tun alle. Ich habe meinen Vornamen eigentlich schon vergessen.«
»Der muss ja wirklich schrecklich sein, wenn du dir nicht einmal deinen eigenen Namen merken kannst.«
»Genauso ist das«, bestätigte Kroll schmunzelnd. Er nippte an seinem Bier. Kati verhinderte, dass das Gespräch ins Stocken geriet. »Weißt du eigentlich, dass wir gerade von dir geredet haben?«
»Oh Gott!« Kroll befürchtete das Schlimmste, aber Kati beruhigte ihn, indem sie ihre Hand auf seinen Oberschenkel legte. »Nein, nein, keine Sorge.«
Kati prostete Anja zu und zog an dem Strohhalm des neuen Caipirinhas, der vor ihr stand. »Anja ist vor ein paar Tagen umgezogen, deshalb hatte sie auch Urlaub. In ihrer Wohnung liegt jetzt haufenweise Ikea-Gerümpel und wir suchen jemanden, der uns beim Aufbauen hilft.« Kati strahlte freudig. »Und ich habe der Anja erzählt, dass du quasi der Weltmeister am Akkuschrauber bist.«
Anja hatte den Caipirinha, den Kati für sie bestellt hatte, noch nicht angerührt. Die ganze Situation schien ihr unangenehm zu sein. Sie kannte Kroll kaum und fand es maßlos übertrieben, dass er jetzt bei ihr die Möbel aufbauen sollte. Das war wirklich keine gute Idee von Kati.
Kroll bemerkte Anjas Verlegenheit. Auch er hielt Katis Vorstoß für ein wenig unpassend. Aber was sollte er tun? Einfach abzusagen, kam ihm falsch vor.
Anja versuchte, ihm eine Brücke zu bauen. »Also, Kati. Jetzt hör bloß auf. Kroll hat zurzeit viel um die Ohren. Das krieg ich doch jeden Tag mit. Er hat bestimmt Besseres zu tun, als mit uns noch die Dinger zusammenzuschrauben.«
»Ich werde mal sehen, was ich machen kann«, nahm Kroll die Vorlage dankend auf. »Für ein paar Schrauben wird
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