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Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)

Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Stammkötter
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»Gern.«
     
    Er klappte das Fotoalbum zu und streichelte nachdenklich den Rücken des Buches, während er in die Leere starrte. Er überlegte, wie lange er sein Schicksal schon tatenlos ertragen hatte. Zu lange, da war er sich jetzt sicher. Natürlich war da viel Rücksichtnahme im Spiel, das war auch richtig gewesen, als der Junge noch klein war. Aber jetzt. Jetzt musste sich etwas ändern. Und wenn kein anderer den ersten Schritt machte, dann war er eben dran. Alles war besser, als tatenlos herumzusitzen. Alles, koste es, was es wolle.

Donnerstagmorgen
    Paul und Georg hatten sich für sechs Uhr vor dem Haus von Ludwigs Vater in der Tschaikowskistraße verabredet. Natürlich nicht direkt vor dem Eingang, sondern schräg gegenüber, hinter der dicken Linde. Sie hatten gute Fahrräder, 36 Gänge, das musste reichen.
    Georg wartete schon eine Weile, als Paul endlich auftauchte. Er lehnte sein Fahrrad an den Baum und atmete in die Innenseiten seiner Hände, die er zu einer Kugel geformt hatte. »Ist das eine Scheißkälte. Die nächste Verfolgungsjagd machen wir aber im Sommer. Ist schon was passiert?«
    »Das Zielobjekt hat seine Wohnung noch nicht verlassen«, berichtete Georg und starrte weiterhin auf die Tür.
    »Hoffentlich hat er heute nicht Urlaub und bleibt bis elf im Bett, während wir uns hier die Nüsse schaukeln.«
    Pauls Sorge war unbegründet. »Achtung, da kommt er!«
    Dr. Fleischer verließ das Haus in einem weißen Jogginganzug mit blauen Schulterstreifen. Auf dem Kopf trug er ein Basecap, auf dem das Porschelogo deutlich zu erkennen war. Er zog die Tür zu und joggte über den Liviaplatz ins Rosenthal. Paul und Georg nahmen mit ihren Fahrrädern die Verfolgung auf. Sie hielten einen Sicherheitsabstand von ungefähr 150 Metern, wobei sie sich nicht viel Mühe machen mussten, unentdeckt zu bleiben. Dr. Fleischer gehörte nicht zu den Menschen, die sich beim Joggen ständig umdrehten.
    Schon nach 20 Minuten schien Paul die Sache langweilig zu werden. Sechs Uhr früh war nicht seine Zeit. Außerdem begann er bei dem langsamen Tempo wieder zu frieren. »Kann der alte Sack nicht mal ein bisschen schneller laufen? Das ist doch kein Jogging. Da rennt mein Opa ja noch schneller!«
    »Ich dachte, dein Opa ist schon lange tot.«
    »Eben, das mein ich ja.«
    »Die Observation ist ein mühsames Geschäft«, klärte ihn Georg auf. »Da ist man manchmal wochenlang mit beschäftigt, ohne dass irgendetwas Interessantes passiert!« Er sah seinen Freund an. »Oder hast du etwa erwartet, dass der hier gleich jemanden umbringt?«
    »Er könnte sich ja wenigstens mit einer hübschen Frau treffen«, motzte Paul.
    »Achtung! Da tut sich was. Komm, wir fahren rechts ran.« Dr. Fleischer war abrupt am Elstermühlgraben hinter dem Aussichtsturm stehen geblieben. Jetzt sah er sich um.
    Paul und Georg hatten sich hinter einer großen Eiche verschanzt. Sie konnten Fleischer beobachten, ohne dass er sie sehen konnte. »Ich fürchte, gleich kriegst du deine hübsche Frau«, flüsterte Georg.
    Er hatte sich gründlich geirrt. Die Person, mit der sich Fleischer offenbar verabredet hatte, war alles andere als eine charmante, hübsche Frau. Der Mann war auffallend dürr, trug einen schwarzen Anzug mit weißem Hemd und schwarzer Krawatte. Seine nach hinten gegelten Haare waren schneeweiß, genauso wie sein wuchtiger Vollbart. Er trug eine dunkle Sonnenbrille, obwohl es um diese Uhrzeit noch nicht besonders hell war.
    »Der Typ sieht ja gruselig aus«, flüsterte Paul.
    »Pscht!«
    Dr. Fleischer und der dunkle Mann redeten kurz miteinander. Nach wenigen Minuten griff Fleischer in die Tasche seiner Trainingshose und holte etwas heraus. Die Jungs vermuteten, dass es sich um ein Bündel Geldscheine handelte. Genau konnten sie aber nicht sehen, was Fleischer seinem Gegenüber in die Hand drückte. Dann drehte sich der Mann um und ging.
    »Fahr du hinter dem Alten her«, zischte Georg. »Ich bleib an Ludwigs Vater dran.«
     
    Als Kroll ins Büro kam, war Wiggins gerade mit der Lektüre der Tageszeitung beschäftigt. Er begrüßte Kroll mit einem kurzen Nicken. »Da hat der liebe Günther ja ganze Arbeit geleistet. Ich fürchte, das wird mächtig Ärger geben.«
    Kroll ging auf seinen Kollegen zu. »Lass mal lesen.«
    Die Überschrift war schon reißerisch. ›Leipziger Anwalt bedrängt Thomaner – Beschwerden der Eltern‹
    Der Artikel selbst war gut recherchiert. Günther hatte sich viel Mühe gegeben. Er schilderte zunächst das

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