Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
Verhältnis des bekannten Strafverteidigers Dr. Trutbert M. zu seinem eigenen Sohn und kam zu dem Ergebnis, dass der Anwalt diesem nicht die gebotene Aufmerksamkeit zukommen ließ. Günther Hirte kannte sich gut aus in der Leipziger Fußballszene, vom Vorstand der Vereine bis zu den Fans und Gruppen. In Fußballkreisen war es bekannt, dass Mascheks Sohn zu einer berüchtigten Ultra-Gruppierung zählte.
»Dr. Trutbert M.«, las Kroll vor. »Den Kerl hat der ja super anonymisiert. Es gibt ja auch so viele Trutberts in Leipzig!«
Die Kontakte und Treffen mit den Mitgliedern des Thomanerchors gab Hirte objektiv und unkommentiert wieder. Den Abschluss des Artikels, der ein Viertel der Seite einnahm, bildeten besorgte Stimmen der Eltern. Natürlich wollte niemand Herrn Dr. M etwas unterstellen, aber alle befragten Eltern hielten diese Kontakte für überflüssig und im Übrigen: Man konnte ja heutzutage nicht vorsichtig genug sein.
Kroll schob die Zeitung beiseite. Er konnte ein Grinsen nicht verbergen. »Der Artikel ist doch gar nicht so schlecht.«
»Ich hoffe nur, das sehen hier im Haus alle so!«
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Staatsanwalt Reis stürmte herein und knallte ein Zeitungsexemplar auf den Schreibtisch der Kommissare. »Kann mir das bitte einmal einer erklären?«
»Wir haben doch Pressefreiheit«, bemerkte Kroll kleinlaut.
Diese Antwort war allerdings nicht geeignet, den Staatsanwalt zu beruhigen. »Pressefreiheit. So, so! Und sicherlich gehört es auch zu euerm Verständnis von Pressefreiheit, dass interne Ermittlungsergebnisse an die Presse gegeben werden, oder?«
»Was meinen Sie denn konkret?«, fragte Wiggins.
Der Staatsanwalt atmete zweimal tief durch. »Wenn ihr mich jetzt verarschen wollt, dann bitte! Ich dachte nur, wir hätten inzwischen einen anderen Umgang miteinander. Oder habe ich mich da getäuscht?«
Kroll versuchte, beruhigend zu wirken. »Wir haben dem Günther Hirte wirklich nicht viel erzählt. Nur ein paar Andeutungen gemacht. Der kann eben sehr gut recherchieren. Im Übrigen nehme ich alles auf meine Kappe. Wiggins war eher Ihrer Meinung. Ich habe mit Günther gesprochen, als er nicht dabei war.«
Wiggins wollte gerade widersprechen, aber der Staatsanwalt kam ihm zuvor. »Und was hast du dir dabei gedacht?«
Krolls Antwort kam spontan. »Ich halte die Geschichte mit den Kontakten von Maschek für eine Spur, der wir unbedingt nachgehen müssen. Wir waren bei Maschek, aber der ist zu sehr Profi, um sich aus der Reserve locken zu lassen. Da habe ich mir halt gedacht, ich versuche, ihn auf diesem Weg ein bisschen zu reizen.« Er setzte eine entschuldigende Miene auf. »Wir haben halt nicht so viele Möglichkeiten in diesem Fall.«
Reis beruhigte sich langsam. »Und das hat wirklich nichts damit zu tun, dass Maschek Anzeige gegen dich erstattet hat?«
Kroll schüttelte den Kopf. »Wirklich nicht, Chef. Daran denke ich zurzeit überhaupt nicht.«
»Maschek hat viele Freunde in der Politik. Bis rauf zum Minister.«
»Aber es kann doch überhaupt niemand erfahren, woher Hirte die Infos hat«, sagte Wiggins. »Günther Hirte hält dicht. Beim Quellenschutz ist der absolut zuverlässig. Da sind wir uns sicher. Und denken Sie bitte nur an die vielen besorgten Eltern. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Eltern mit der Presse geredet haben, ist doch viel größer.«
Der Staatsanwalt faltete die Zeitung zusammen. »Also gut. Ich werde es so darstellen, dass diese Informationen nicht durch uns rausgegeben wurden. Das ist aber das letzte Mal, dass ich für euch den Kopf hinhalte, verstanden?«
»Danke, Chef!«
Reis drehte sich in der Tür noch einmal um. »Ich hoffe, euer Freund von der Zeitung hält wirklich dicht. Und, Kroll: Es wäre schön, wenn dein Bericht wegen der Sache mit Mascheks Sohn so langsam auf meinem Schreibtisch landen würde.«
»Der Tag fängt ja gut an«, sagte Wiggins ironisch, als sie wieder allein waren.
»Lass uns lieber überlegen, was wir als Nächstes machen«, erwiderte Kroll. »Ich glaube, ein kleines Erfolgserlebnis wäre jetzt ganz gut für die Stimmung.«
Paul verdrehte die Augen, als er sah, dass der schwarz gekleidete Mann in eine dunkle Mercedes S-Klasse mit getönten Scheiben stieg. Alles an dem Mann schien schwarz zu sein, bis auf seinen weißen Vollbart und seine weißen Haare. Zum Glück fuhr der Wagen in langsamem Tempo die kleine Straße neben dem Elstermühlgraben entlang. Paul konnte ihm mit einem gehörigen
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