Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
einen flüchtigen Kuss auf die Wange und trabte in Richtung Straße.
»Warte doch mal!«, rief ihr Kroll hinterher. Kati blieb stehen und drehte sich um. Sie stemmte die Hände provozierend in die Hüften.
Kroll ging auf sie zu. »Mich würde doch mal interessieren, von wem du etwas über mich gehört hast.«
Kati genoss es, Kroll ein wenig auf die Folter zu spannen. Für die lange Funkstille von seiner Seite war jetzt eine willkommene Gelegenheit für eine Retourkutsche gekommen. »Na ja, hier und da sperrt man ja doch mal seine Ohren auf. Ich lebe ja nicht auf dem Mond.«
Obwohl Kroll Kati längst durchschaut hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als auf ihr Spiel einzugehen. Er zeigte in Richtung Straße. »Da drüben gibt es hervorragendes alkoholfreies Weizenbier, gut gekühlt. Das ist genau das Richtige, um nach dem Sport wieder aufzutanken. Selbstverständlich würde ich auch noch einen Kaffee drauflegen.«
Kati sah ein wenig zu demonstrativ auf die Uhr. »Eigentlich bin ich noch verabredet. Und in die Stadt muss ich auch noch. Mein Kühlschrank ist total leer.«
»Und wenn ich hoch und heilig verspreche, die nächsten 100 SMS von dir umgehend zu beantworten? Sagen wir mal, mit einer Zeitverzögerung von höchstens einem Tag?«
»Einverstanden«, gab Kati nach und hakte sich bei Kroll ein.
Sie saßen in dem großen Gastraum des Forsthauses Raschwitz. Toni schlabberte Wasser aus seinem Saufnapf, als die Kellnerin die Weizenbiere auf den Tisch stellte. Sie prosteten sich mit den großen, beschlagenen Gläsern zu. Kroll nahm einen tiefen Zug und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. Einen lauten Rülpser konnte er nur mühsam unterdrücken. »Also, was ist jetzt?«
Kati tat so, als würde sie angestrengt überlegen. »Was ist was?«
»Meine liebe Kati. Was muss ich denn noch alles tun, um Reue zu zeigen? Du warst doch noch nie nachtragend, oder?«
»Ach, jetzt weiß ich, was du meinst!« Sie erweckte den Eindruck, als wäre ihr der Einfall gerade erst gekommen. »Du meinst die Sache mit Bach. Das ist leider gar nicht so spektakulär, wie du denkst.« Sie trank einen weiteren Schluck Bier. »Eine Freundin von mir arbeitet im Thomanerchor, und der ist natürlich nicht entgangen, dass da auf einmal ein so gut aussehender Polizist rumschnüffelt.«
Das letzte Wort schien sie daran zu erinnern, dass Toni neben ihr lag. Sie bückte sich und kraulte den Hund.
»Aber da arbeiten doch gar nicht so viele Frauen. Eigentlich nur die Krankenschwester, die Assistentin vom Callidus und vielleicht noch ein paar Erzieherinnen oder Küchenfrauen.«
»Ich habe ja auch nicht gesagt, dass da viele Frauen arbeiten. Ich habe lediglich gesagt, dass eine Freundin von mir da arbeitet.«
»Darf ich raten?«, fragte Kroll. Kati nickte.
»Anja Gans, stimmt’s?«
»Bingo!«, bestätigte Kati spontan.
Kroll trank sein Glas leer und überlegte, während er trank, wie er die nächste Frage elegant formulieren konnte. Aber eigentlich kannte er Kati lange genug, um einfach ohne Umschweife auf den Punkt kommen zu können. »Und das mit dem gut aussehenden Polizisten, hat die das wirklich gesagt oder hast du dir das nur ausgedacht?«
Kati richtete sich wieder auf. »Das hat die wirklich gesagt.«
Kroll konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Ehrlich? Ist ja kaum zu glauben.« Er wedelte mit dem Zeigefinger. »Wenn du mich jetzt verarschst, bin ich aber wirklich sauer. Dann melde ich mich die nächsten 20 Jahre nicht mehr.«
Katis Gesicht wurde wieder von diesem geheimnisvollen Lächeln erhellt. »Doch, ehrlich, das hat sie gesagt. Sogar mehrfach. Sie hat immer wieder diesen gut aussehenden Kommissar Wiggins erwähnt.«
Kroll ließ sich nicht anmerken, wie sehr ihn Katis letzte Bemerkung irritierte. Er hatte nicht vor, seine heimliche Schwärmerei für Anja Gans gerade Kati zu verraten. Andererseits war er sprachlos. Er konnte auch nicht zur Tagesordnung übergehen, ohne diese Frage zu klären. Er gab vor, souverän zu sein. »Das hatte ich aber auch noch nie, dass sich eine Frau mehr für Wiggins als für mich interessiert.«
»Stimmt nicht«, widersprach ihm Kati. »Denk doch mal an die Studentin aus der Nürnberger Straße.«
Kati hatte recht. Die Polizisten hatten die Studentin bei ihren Ermittlungen vor zwei Jahren kennengelernt. Sie waren skrupellosen Organhändlern auf der Spur gewesen. Die junge Dame hatte sich tatsächlich nur für Wiggins interessiert, der mit ihr später auch ein Verhältnis hatte.
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