Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
Kroll war das gar nicht eingefallen, weil er zu der Zeit noch mit seiner damaligen Freundin Claudia zusammen war.
»Aber das ist doch was anderes. Ich war nämlich zu der Zeit eh nicht auf dem Markt.«
Kati schob die Kaffeetasse zur Seite und schnürte die Laufschuhe zu, die sie wegen der Bequemlichkeit geöffnet hatte. »Wenn ich dich nicht besser kennen würde, Kroll, würde ich sagen, deine letzte Bemerkung war arrogant. Aber was soll’s. Ich muss los!« Sie küsste Kroll wieder auf die Wange und verabschiedete sich mit einer Streicheleinheit von Toni. »Ach, übrigens. Ich bin heute Abend mit Anja im ›SPIZZ‹. Wenn du Lust hast, komm doch einfach vorbei. Anja würde sich bestimmt freuen … , wenn du Wiggins mitbringst.«
Sie verließ eilig die Terrasse und lief zum Parkplatz.
Als Kroll dann Richtung Innenstadt fuhr, verdunkelte sich der Himmel zusehends, obwohl es erst fünf Uhr war. Das Wetter würde sich verschlechtern. Wenn er Toni wieder bei der Hundestaffel abgeliefert hatte, wollte er sich noch mit dem ›gutaussehenden‹ Wiggins im Büro treffen. Er hoffte, dass es irgendwelche Neuigkeiten gab, obwohl er das nicht wirklich erwartete. Seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Hatte Kati das tatsächlich ernst gemeint? Warum eigentlich nicht? Wiggins war groß und schlank, intelligent und humorvoll. Warum sollte sich die Damenwelt eigentlich nicht für ihn interessieren? Er war eben ein ganz anderer Typ als Kroll, mehr der Intellektuelle und nicht so sehr der Draufgänger. Aber warum sollte das nicht auf die holde Weiblichkeit wirken? Nicht alle Frauen sehnten sich nach den Macho-Typen. Es musste ja auch noch Platz für die Softis geben. Dann musste Kroll grinsen, weil er seine Gedanken nicht einmal selbst glauben konnte. Wiggins als Softi zu bezeichnen, war wirklich eine Übertreibung.
Ein Ton aus seinem Handy verriet ihm, dass er eine SMS bekommen hatte. Er drückte auf die Taste mit dem gelben Briefumschlag.
›wollte dich nur ärgern. wär vielleicht doch besser, wenn du heute abend alleine kommst. gruß und kuss, kati!‹
Wiggins saß am Schreibtisch und war in das Studium der vor ihm liegenden Akten vertieft. »Ich hab hier den Bericht der Spusi.« Er schaute nur kurz zu Kroll auf. »Der Wasserspender im Alumnat war tatsächlich mit einem Kaugummi verklebt. Die Reste konnten eindeutig identifiziert werden. Den Laborbericht haben die auch gleich drangehängt. Das Wasser war verseucht mit Salmonellen von verdorbenem Hühnerfleisch. Da lag der Dr. Rabenstein schon ganz richtig.«
Kroll wurde nachdenklich. »Der Callidus hat erzählt, dass der Wasserspender eine Woche lang defekt war und dann auf einmal wieder funktionierte. Der Täter muss also mindestens zweimal im Alumnat gewesen sein.«
»Mindestens«, bestätigte Wiggins. »Einmal, um den Kaugummi vor den Auslass zu stopfen und das Wasser zu verseuchen, und dann noch einmal, um den Kaugummi wieder zu entfernen.«
»War das denn so einfach?«
Wiggins blätterte in der Akte. »Das war ein Kinderspiel. Du musst nur den Wasserbehälter leicht anheben und den Kaugummi von innen vor den Hahn stopfen. Wenn du weißt, wie das geht, dauert das nicht mal eine Minute.«
»Der Täter war also mindestens zwei Mal dort«, wiederholte sich Kroll. »Den muss doch einer gesehen haben. Da geht es nicht zu wie im Bienenstock. Es ist mit Sicherheit nicht möglich, dort hereinzuspazieren, ohne dass man von mindestens 20 Jungs gesehen wird.«
»Vielleicht kam der, als die Jungs in der Schule waren oder Probe hatten.«
Kroll schüttelte den Kopf. »Da ist immer jemand. Außerdem ist die Tür doch mit diesem Zahlencode gesichert. Woher kannte der denn die Kombination?«
»Keine Ahnung«, gestand Wiggins ein. »Vielleicht von den Jungs. Die Kombination kennen doch, alles in allem, fast 150 Leute. Ein Staatsgeheimnis sieht anders aus.«
»Oder der Täter ist im Alumnat nicht aufgefallen, weil er häufiger dort verkehrt«, schlug Kroll vor. »Vielleicht ein Elternteil oder jemand, der dort arbeitet.«
»Aber das gibt doch keinen Sinn. Warum sollte jemand die Kinder vergiften, wenn er dort arbeitet. Und die Eltern? Warum sollten die so etwas tun?«
»Was weiß ich! War doch nur so ein Gedanke! Hast du noch was in den Unterlagen gefunden?«
»Allerdings.« Wiggins hielt eine dünne blaue Akte in die Höhe. »Die Kollegen im Labor waren wirklich fleißig. Die DNA aus dem Kaugummi im Wasserspender ist identisch mit der DNA, die die Spusi aus
Weitere Kostenlose Bücher