Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
das nicht abgeklärt?«
Er rieb sich genervt die Augen und wählte die Nummer von Dr. Callidus. »Hallo, Herr Doktor Callidus, Kroll hier. Wie viele Sänger haben Sie, die Johannes heißen?«
»Nur einen, den Johannes Weiding.«
»Ich brauche ganz schnell seine Adresse.«
Der Alumnatsleiter wollte nachfragen, aber Kroll ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Bitte, Herr Doktor Callidus! Wir haben jetzt keine Zeit. Geben Sie mir die Adresse!«
Callidus war hörbar irritiert. »Einen Moment … , ich bin noch im Büro.«
Kroll hörte, wie er in einer Akte blätterte. »Johannes wohnt in der Fichtestraße 12.«
Kroll notierte sich die Adresse auf einer Zeitung. »Danke, Herr Callidus. Ich melde mich später.« Dann legte er auf.
»Ist was passiert?«, fragte Anja aufgeregt.
»Große Scheiße!«, fluchte Kroll und wählte die Nummer von Staatsanwalt Reis. »Hallo, Herr Reis. Wir haben neue Erkenntnisse. Vermutlich ist der Thomaner Johannes Weiding in großer Gefahr. Schicken Sie bitte sofort eine Streife dort hin. Seine Adresse ist … «
»Ich habe gerade auch schon versucht, dich zu erreichen«, unterbrach ihn der Staatsanwalt. »Die Eltern haben vor einer Viertelstunde aufgeregt die Polizei angerufen. Johannes ist noch nicht nach Hause gekommen. Wiggins ist bereits auf dem Weg zu ihnen.«
»Wo war er zuletzt?«
Der Staatsanwalt redete wie immer in einem ruhigen und sachlichen Ton. »Er wollte, wie jeden Donnerstagabend, ins Fitnessstudio. Er geht da immer gegen acht Uhr hin.«
»Welches Fitnessstudio?«
»›Fit and Form‹, das ist in der Innenstadt.«
»Ich kenne das Studio«, beeilte sich Kroll zu sagen. »Ich fahre da sofort hin. Geben Sie die Fahndung raus!«
»Meinst du, es ist wirklich so dringend, ich meine, der Junge ist 14 Jahre alt. Da kann es doch schon mal vorkommen, dass … «
»Geben Sie bitte die Fahndung raus!«, blieb Kroll beharrlich. »Den Rest erkläre ich Ihnen später. Wiggins soll das übliche Programm abspulen. Freunde, Mädchen und, und, und.«
»Alles klar«, stimmte der Staatsanwalt zu. »Ich fahre jetzt auch zu den Eltern. Halt mich auf dem Laufenden.«
»Mach ich.«
»Ich muss los«, sagte Kroll zu Anja, als er wieder aufgelegt hatte.
Auch bei Anja war die romantische Stimmung verflogen. »Sag mir bitte, was los ist, Kroll!«
»Johannes Weiding ist verschwunden. Ich muss jetzt sofort ins ›Fit and Form‹! Tut mir leid. Ich melde mich morgen.«
Anja stand von der Couch auf und ordnete ihre Kleider. »Ich komme mit! Johannes gehört zu meinen Schäfchen. Ich kann jetzt hier nicht tatenlos rumsitzen.«
Kroll zögerte einen Moment. »Okay. Vielleicht kannst du uns ja helfen.«
Ricky, der Inhaber des Fitnessstudios, kannte Kroll noch aus gemeinsamen Studentenzeiten. Auch er hatte ein paar Semester Sport studiert, das Studium aber dann doch aufgegeben. Das wäre ihm vermutlich mit jedem Studium so gegangen, weil er ohnehin keine Lust zum Studieren hatte. Er wollte lieber arbeiten und hatte nur kurze Zeit später das ›Fit and Form‹ gegründet.
»Hoher Besuch!«, empfing er Kroll mit einem freundschaftlichen Strahlen. »Willst du um diese Zeit noch trainieren?«
»Ich bin leider dienstlich hier«, kam Kroll ohne Umschweife zum Thema. »War Johannes Weiding heute Abend bei euch?«
Ricky zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich war heute den ganzen Tag im Büro und habe die Buchhaltung für das fucking Finanzamt gemacht.« Er sah sich um. »Aber die Svea war heute im Einsatz.« Er deutete mit dem Kopf in Richtung einer jungen Frau, die in moderner Sportkleidung neben einem Gerät stand und einen übergewichtigen Mann bei seinen Bemühungen unterstützte.
Kroll kannte Svea. Er tippte ihr leicht auf die Schulter. Sie drehte sich um und begrüßte Kroll mit einem Kuss auf die Wange. »Schön, dass du mal wieder reinschaust.« Sie kniff ihn in die Hüfte. »Hast du etwa ein kleines Fettpölsterchen entdeckt?«
»War Johannes Weiding heute Abend hier?«
Svea war ein wenig irritiert, als Kroll nicht auf ihre kleine Frotzelei einging. Sie erkannte aber, dass ihm nicht nach Small Talk zumute war. »Ja, klar, der war heute Abend hier.« Sie überlegte einen Moment. »Er ist so gegen neun gegangen.«
»Bist du dir da ganz sicher?«, hakte Kroll nach.
»Ja, ganz sicher. Eine Kollegin hatte um neun Feierabend und ist kurz vor Johannes raus.«
»Hat er gesagt, wo er hingeht?«
Svea schüttelte den Kopf. »Der macht seine Übungen immer allein. Johannes braucht kein
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