Goldmacher (German Edition)
seinen Blick immer wieder von Paula abwandte und ihn zu Sissi schweifen ließ, die sich, wenn auch verhalten, zum Rhythmus der Musik bewegte. Als ein junger Mann sie aufforderte, schüttelte sie den Kopf, streifte jedoch Anton mit einem Blick, bevor sie sich wieder der Tanzfläche zuwandte.
Anton warf sich in seinen Stuhl zurück, er wusste, er würde den ganzen Abend nur darauf warten, noch einmal von ihrem Blick erfasst, nein, gebannt, nein, entflammt zu werden! Er schenkte sich und Rosi Champagner nach, hob das Glas, stieß mit Rosi an: Er war ihr wiederbegegnet, nein, zum ersten Mal wirklich begegnet, seiner großen Liebe. In seinem Überschwang küsste er Rosi die Hand.
Franz und Paula hielten bis zur ersten Pause der Band durch. Obwohl die Musiker ihre Instrumente beiseitelegten, mochten sie die Tanzfläche einfach nicht verlassen, wie in Trance ließ sie der plötzliche Stillstand taumeln, und auch ohne die Musik zuckte der Rock ’n’ Roll noch durch ihre Glieder. Doch dann zog es sie plötzlich diametral auseinander, Franz kehrte an den Tisch zurück und Paula suchte den blumengemusterten Vorraum auf, um sich frisch zu machen und einen weiteren Piccolo mit der Toilettenfrau zu teilen.
In beschwipster Laune kehrte sie wenig später wieder an den Tisch zurück und entdeckte Anton mit Rosi auf der Tanzfläche. Jetzt spielte die Band nicht mehr Rock ’n’ Roll, sondern den Modetanz Twist.
Und Anton tanzte Twist, als hätte er seit Jahren nichts anderes getan. Er tanzte auf eine recht originelle Weise, und obwohl Rosi mit ihm tanzte, hatte er dabei nur die nicht weit entfernt von ihnen mit ihrem Bruder tanzende Sissi im Sinn.
11.
Es war spät am Abend, und Rosi wollte eigentlich nicht ans Telefon gehen, dann nahm sie aber doch den Hörer auf, es war Paula. Sie rief zum vierten Mal an diesem Tag an, und jetzt sollte es zum wirklich allerletzten Mal in der Angelegenheit sein, wie sie gleich versprach. In den vergangenen Wochen hatte sie häufig und oft mehrmals am Tag auf dem Amselhof angerufen und mit Rosi über Anton gesprochen. Über die Angelegenheit, wie sie Antons Ausbruch von Leidenschaft für Sissi nannte.
Unmittelbar im Anschluss an den Ball im Bayerischen Hof in München hatte sie in der Innentasche von Antons Anzugjackett nicht gerade zufällig, nachdem sie in einem Anfall von Eifersucht alle Taschen in allen seinen Anzügen durchsucht hatte, ein Foto von der Studentin gefunden. Paula sprach nur noch von der Studentin, seitdem sie von Rosi wusste, dass Sissi studierte. Anton müsse wohl auch deshalb so beeindruckt sein, weil er ja selber nicht studiert habe, wie Paula spitz meinte.
Zuerst hatte Paula geglaubt, Rosi habe mit ihrer Minox das Foto auf dem Ball geschossen, erfuhr dann jedoch durch Rosi von Antons Einsatz als Fotograf, woraufhin sie fürchterlich geflucht und ihn als hinterhältig beschimpft hatte. Sissi sei sicher nur zufällig auf dem Foto, wollte Rosi sie daraufhin beruhigen, Anton habe natürlich Franz fotografiert, als er von der Kaiserin seines Herzens gesungen habe, doch Paula hatte energisch widersprochen, das Foto sei vom vielen Draufgucken bereits völlig zerknittert, und deshalb habe sie beschlossen, ihre Siebensachen zu packen, lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Es zog sich dann aber doch alles in die Länge, auch der Schrecken. Anton hatte die Heidschnucken-Kate verlassen, um ihr den Auszug zu erleichtern, wie er sagte, hielt sich jetzt jedoch ständig in München auf.
Paula hing nun täglich am Telefon und bestürmte Rosi, Anton keinesfalls mit der Studentin auf den Amselhof einzuladen, das würde sie nicht auch noch ertragen. Sie hatte Franz beschimpft, wie anbiedernd er sei, wie er sich von Anfang an Anton angedient habe und für Anton jetzt sogar Kupplerdienste leiste. Rosi hatte widersprochen und Paula an den Handkuss auf dem Ball erinnert. Trotzdem hätte Franz die Verbindung zu dieser Studentin hergestellt, Postillon d’Amour gespielt, das wisse sie von Anton.
»Ich gehe nach Berlin«, sagte Paula jetzt am Telefon.
»Nach Berlin?!«, rief Rosi erschrocken, »du kannst dich doch nicht einmauern lassen!«
»Ich bin froh, dass mich eine Mauer von diesem Pärchen trennt! Die Mauer kann gar nicht hoch genug sein!«
»Ich würde in Berlin keine Luft kriegen. Eingemauert! Das kannst du dir doch nicht antun.«
»Ich kriege keine Luft, solange ich auch nur in der Nähe dieses Pärchens bin. Hinter der Mauer bin ich sicher, da kann ich frei
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