Goldmacher (German Edition)
Investoren, um sie für die Solotel-Gruppe zu interessieren. Er verabredete sich mit ihnen in Hamburg oder unterbrach dort seine Flüge nach Stockholm und war nun häufig zu Gast bei Anton. Und wurde Zeuge, wie sich Anton durch Sissi veränderte.
Anton schien sich durchaus zu freuen, wenn er ihn wiedersah, doch ohne Sissi ging nichts mehr, sie sollte entscheiden, was man gemeinsam unternahm. Gespräche mit Anton waren kaum möglich, an lange Spaziergänge mit ihm war ebenso wenig zu denken wie an einen gemeinsamen Segelturn auf der Außenalster. Sissi würde auf einem Segelboot seekrank werden, erklärte Anton, und es sei für ihn undenkbar, ohne sie aufs Boot zu gehen.
»Er überfordert seine junge Frau«, meinte Franz anfänglich zu Rosi. Später stellte er fest, dass Anton sich selbst mit seiner jungen Frau überfordere. Die vielen kleineren und größeren Geselligkeiten, die er für Sissi gab, schirmten Franz noch mehr von Anton ab.
»Man unterhält sich interessant«, erzählte er Rosi, doch er beteilige sich nur aus Freundschaft zu Anton. Wie sehr er die Intimität mit dem Freund vermisste, verschwieg er. Sie fehlte ihm aber tatsächlich immer schmerzhafter, sodass er, nur um Anton näher zu sein, sich ihm, wie schon früher, durch Nachahmung näherte: Er achtete, während er zu Besuch war, auf Sissis Wünsche, vor allem auch auf die unausgesprochenen. Einmal ertappte er sich dabei, wie er Aschenbecher leerte und benutztes Geschirr beiseiteräumte, weil die Haushaltshilfe nicht schnell genug zur Stelle war. Ein anderes Mal war sie nicht umsichtig genug, er bemerkte Sissis Blick und stellte die mitgebrachten Blumen selbst in eine Vase.
»Ich bin der Diener deiner Frau«, spöttelte er einmal, als er Antons verwunderten Blick bemerkte. Später reagierte Anton dann unwillig, ja, er wehrte Franzens Beflissenheit ab. Anstatt dass er sich ihm annäherte, schien sich Anton noch mehr von ihm zu entfernen. Nun erkannte Franz in Sissi seine Gegenspielerin, die Spielverderberin, die alle seine Freundschafts-Spiele mit Anton durchkreuzte, und da warf er die Dienerrolle endlich wieder ab.
Er verlegte sich jetzt darauf, sie zu beobachten und ihre Fehler festzustellen, stellvertretend für Anton, der ihnen gegenüber blind zu sein und weder das Geltungsbedürfnis noch den Ehrgeiz seiner jungen Frau zu bemerken schien. Gab er jedoch Anton auch nur einen winzigen dezenten Hinweis, wie er sich Sissis Ansprüchen entziehen könne, schaute Anton ihn wieder verwundert an und fragte, ob er ihm sein Glück neide.
Obwohl sich Franz in Gegenwart von Anton und Sissi nur noch unwohl fühlte, gelang es ihm trotzdem nicht, seine Besuche einzustellen. Es war Hans-Ulrich, der ihn dann schließlich dazu brachte, die Gastfreundschaft von Anton und Sissi zu meiden.
Hans-Ulrich hatte sich mithilfe von Veronika immer öfter in den kleineren oder auch größeren geselligen Kreis eingeschlichen, bedeutungsvoll blickend bobachtete er dann Franz, der ihn gern übersehen hätte. Aber Franz konnte ihn nicht übersehen, so unübersehbar, wie Hans-Ulrich sich immer herausgeputzt hatte. Jedes Mal trug er einen noch gediegeneren Anzug, eine noch ausgefallenere Weste, aus der er zu vorgerückter Stunde eine Zigarre hervorzauberte und unter aufwendiger ritueller Vorbereitung dann auch anzündete. Durch den Qualm, den er ausstieß, begann er, Franz mit zusammengekniffenen Augen zu fixieren.
Franz versuchte, das zu ignorieren, doch Hans-Ulrich heftete sich an seine Fersen und fragte immer wieder, wie die Geschäfte liefen, und sah ihn dabei mit seinem spöttischen Zug um den Mund lauernd an. Franz antwortete wortkarg, sagte »bestens« oder auch »kann nicht klagen«. Einmal sagte er sogar »glänzend«, woraufhin Hans-Ulrich vielsagend meinte, es sei bekanntlich nicht alles Gold, was glänze.
»Ich bin kein Goldmacher«, erklärte Franz unwillig, die Sache mit dem Goldmacher sei nun wirklich eine alte Geschichte.
»Richtig«, stimmte ihm Hans-Ulrich zu, »es gibt aber auch eine neue Geschichte über echtes Nazigold.«
Franz sah sich unwillkürlich nach Anton um.
Hans-Ulrich beugte sich näher zu ihm: »Anton weiß nichts davon«, sagte er und ließ Franz dann einfach stehen.
Mehrmals hintereinander fand sich Franz in dieser oder in einer ähnlichen Weise von Hans-Ulrich angesprochen, woraufhin er seine Besuche einstellte. Er wollte es sich nicht wirklich eingestehen, aber es hatte ihn zutiefst erschreckt, wie Hans-Ulrich von echtem Nazigold
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