Goldmacher (German Edition)
der Schulstunde, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Mit gesenktem Kopf starrte er auf seine Schuhspitzen und versuchte, sich zu schämen. Doch schon bald musste er darüber, dass er in der Ecke stand und sich schämen sollte und eigentlich gar nicht wusste, wie man sich schämt, lachen. Was er auf gar keinen Fall zeigen durfte. Er erinnerte deutlich, wie es ihn anstrengte, das Lachen, das ihn, je mehr er versuchte, es zu unterdrücken, umso mehr kitzelte, sodass sein ganzer Körper zu vibrieren begann. Gegen Ende der Eckensteherzeit lief ihm vor lauter Anstrengung der Schweiß über das Gesicht. Seine Klassenkameraden und auch der Lehrer hatten geglaubt, er habe geweint.
Langsam hob Hans-Ulrich den Blick von seinen Schuhspitzen und sah auf die verstreut umherliegenden Seiten von Antons neuem, modernem Unternehmenskonzept, und bald schüttelte es ihn vor verhaltenem Lachen: Er hatte seine Hausaufgaben nicht gemacht! Dafür musste er jetzt in die Ecke und sich schämen. Anton hatte ihn in die Ecke gestellt, das war ihm seit seiner Schulzeit nicht mehr passiert!
7.
Ein kleiner Mann trat auf ihn zu und fragte, ob er der Herr Münzer sei, und Franz bejahte. Er hole ihn im Auftrag des Herrn Bluhm ab, der sei noch verhindert, aber Frau Bluhm würde ihn erwarten, erklärte er.
Enttäuscht folgte Franz dem kleinen Mann, der sich nun mit seinem Namen vorstellte, durch die Ankunftshalle des Flughafens. Er hatte damit gerechnet, endlich von Anton den Grund dafür zu erfahren, weshalb er nach Hamburg kommen sollte. Anton hatte ihn gedrängt und sogar auf einer Übernachtung bestanden. Er könne nicht am Telefon mit ihm darüber sprechen, hatte er stur entschieden. Und nun erfuhr er noch immer nicht, weshalb Anton mit ihm so dringend unter so außergewöhnlichen Umständen reden wollte!
Die Fahrt war lang und erst als er die Elbe sah, konnte sich Franz orientieren, zum ersten Mal traf er sich mit Anton nicht bei Cölln im Austernkeller, wie es ihnen in den letzten Jahren zur Gewohnheit geworden war, sondern bei ihm zu Hause. Es war Juni, der letzte Frühlingstag und der längste Tag im Jahr, die Sonne stand noch hoch am Himmel und das Wasser des Stroms glitzerte. Franz setzte seine Sonnenbrille auf.
Sissi hatte er zuletzt Monate vor der Geburt der Zwillinge, die sicherlich schon ihren dritten oder vielleicht sogar bereits ihren vierten Geburtstag gefeiert hatten, gesehen. Er verspürte, auch wegen seiner gespaltenen Gefühle für sie, eine leichte Befangenheit, als der kleine Mann die dicht mit Rhododendron bewachsene Auffahrt zu einem Wohnhaus hinunter fuhr, das ihn an die Heidschnucken-Kate erinnerte, in der Anton und Sissi zuvor gewohnt hatten, nur war dieses Gebäude um einiges größer.
Zwei Hunde, der eine mit rotem, der andere mit schwarzem Fell, sprangen aus dem Schatten der Büsche und liefen bellend neben dem Wagen her. Es waren im Vergleich zu dem zahmen Plus II. ziemlich wilde Gesellen.
Der Fahrer hielt vor der Haustür, doch Franz zögerte wegen der Hunde auszusteigen. Der kleine Mann ging auf sie zu und versuchte, diese Bestien, wie Franz sie gleich nannte, zu beschwichtigen, was ihm nicht gelang, sie liefen aufgeregt bellend um den Wagen herum.
»Kastor! Pollux! Hierher!«, hörte Franz die Stimme von Sissi, dann sah er sie, in Jeans und T-Shirt, aus dem Garten hinter dem Haus in den Hof kommen, begleitet von den Zwillingen. Beide waren blond, der eine hatte Locken, der andere glatte Haare, auch sonst sahen sie recht verschieden aus.
»Platz«, rief Sissi und die Hunde gehorchten, dann kam sie auf Franz zu, der nun ausgestiegen war und ihr entgegenging. Er fand sich unerwartet warmherzig begrüßt und die Befangenheit fiel von ihm ab. Er folgte Sissi, den scheinbar gezähmten Hunden und den Kindern, denen sein Respekt vor den vermeintlichen Bestien viel Spaß machte, sie griffen den Hunden immer mal wieder tollkühn ins Maul oder zogen sie am Schwanz, um Franz zu zeigen, dass sie keine Angst vor ihnen hatten.
Hinter dem Haus, es lag auf einer Anhöhe, konnte Franz über den breiten Fluss hinweg und bis zum entfernt gegenüberliegenden, von Bäumen oder Büschen gesäumten Ufer blicken. Von hier oben verwandelte die Sonne das Wasser des Stroms in ein Silberband, das sich in der Ferne in einer sich im spätnachmittäglichen Dunst auflösenden Landschaft verlor.
Sissi führte Franz bis zum Rand der Anhöhe, dort sahen sie zu, wie zwei große Frachtschiffe langsam und scheinbar lautlos aufeinander
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