Goldmacher (German Edition)
und wartete darauf, dass er nun wissen wollte, wie dadurch ein dritter Weltkrieg zu verhindern sei. Aber Franz wollte es gar nicht so genau wissen, er wandte sich lieber der Vorspeise zu, die der Kellner gerade serviert hatte. Franzi, die keine Vorspeise bestellt hatte, beobachtete den Vater eine Weile beim Verzehr von Melone mit Parmaschinken.
»Du willst bestimmt wissen, wie wir die sexuelle Repression aufheben«, erklärte Franzi schließlich bestimmt und ließ sich durch Franzens verneinendes Kopfschütteln, er hatte gerade ein Stück Melone im Mund, nicht abhalten.
»Wir müssen gar nichts tun, sie hebt sich von allein auf, wenn niemand mehr jemanden besitzt. Das heißt, jede und jeder schläft mit jedem und jeder, wir sind nicht Besitz von jemandem, und wir besitzen auch niemanden.«
Franzi sah den Vater nun so triumphierend wie kämpferisch an. Franz jedoch wollte ihrem Kampfgeist keinen Zucker geben.
»Das will ich mir lieber nicht vorstellen«, sagte er und versuchte, so gelassen wie möglich den Rest von Parmaschinken und Melone zu verspeisen. Schließlich konnte er dann doch nicht verhindern, dass er es sich vorstellte, wie jede und jeder mit jedem und jeder schlief, und er geriet darüber in einen unaufhaltsamen Zorn. Er warf Messer und Gabel wütend auf den Vorspeisenteller.
»Das ist die Rückkehr zum Affen!«, brach es aus ihm heraus, und wenn das der Preis für die Verhinderung des dritten Weltkriegs sei, so wolle er lieber den dritten Weltkrieg, verstieg er sich noch weiter.
Franzi lächelte vergebend und sagte, an seiner Reaktion könne man erkennen, wie sexuell repressiv er erzogen worden sei, er getraue sich noch nicht einmal, sich sexuelle Freiheit überhaupt vorzustellen, sondern müsse gleich zu den Waffen greifen und der Menschheit mit ihrer Ausrottung drohen.
»Genau darum geht es doch«, dozierte Franzi weiter, »es geht um Strafe und Bestrafen, du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, gratuliere!« Enthusiastisch reichte sie Franz die Hand, um ihm zu gratulieren, der sie verblüfft auch annahm und schüttelte, während Franzi nun fragte, ob er schon einmal etwas von Wilhelm Reich und seiner Erforschung des Muskelpanzers gehört habe.
Franz fühlte sich überrumpelt und wurde furios. Er hätte genug gehört, rief er aus, er könne gar nicht glauben, was er von seiner eigenen Tochter hier gehört habe, und er müsse sich wirklich fragen, ob sie noch bei Trost sei, ob sie noch seine Tochter sei, ob er sie noch seine Tochter nennen wolle!
Aufgebracht stieß er den Vorspeisenteller zurück, stand auf und warf ein paar Münzen auf den Tisch.
»Aber geh, Franzerl!«, rief Franzi, die die Eltern, wie Lexa auch, nur noch beim Vornamen nannte, und stand auf, »du kannst mich nicht so einfach verstoßen, bevor du dir nicht wenigstens angehört hast, was ich dir erklären muss, damit du mich verstehst!«
Er verspüre nicht das geringste Bedürfnis, seine Töchter zu verstehen, sagte Franz und schob seinen Stuhl zum Zeichen seines Aufbruchs an den Tisch.
»Mir ist der Appetit vergangen! Ich mache lieber einen Spaziergang durch den Zoologischen Garten, am besten besuche ich gleich das Affengehege, um mir ein Bild vom Entwicklungszustand meiner Tochter zu machen!«
Franzi lief hinter ihm her und packte den Vater am Arm, sie ließ ihn nicht los, sosehr Franz auch versuchte, sie abzuschütteln. Die Kellner meinten, es sei ein Spiel, weil Franzi dabei lachte. Aber es war ein erbitterter Kampf, den sie schließlich gewann, weil Franz ihn aufgab, er ließ sich von ihr an den Tisch zurückführen, der Kellner servierte den Hauptgang, für Franzi ein halbes Hähnchen mit Salat, für Franz ein T-Bone-Steak.
»Also, was soll ich denn jetzt verstehen?«, nahm Franz, durch den Fleischgenuss ein wenig besänftigt, aber durchaus auf der Hut, das Gespräch wieder auf.
»Ich höre?«, ermunterte er seine Tochter, die mit großem Appetit damit beschäftigt war, das halbe Hähnchen zu zerlegen.
»Wir müssen den Muskelpanzer verstehen«, antwortete Franzi und tupfte sich, begleitet von Glöckchengeklingel, mit der Serviette graziös Salatsoße von den Lippen.
»Du weißt bestimmt nicht, was das ist«, mutmaßte sie gleich darauf, und in ihren Augen flackerte bereits wieder das ihm vertraute kämpferische Temperament auf.
»Ich nehme an, ich bin einer«, mutmaßte nun Franz und spürte, wie gern er mit ihr den Wettkampf aufnehmen würde, jetzt, wo er sich gestärkt fühlte.
»Du bist kein Muskelpanzer,
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