Goldmacher (German Edition)
Treffen mit Franzi im Hotel abholte. Sie sah ihn wieder mit diesem seltsam taxierenden Blick an, »zu lange«, stellte sie dann fest.
Dieses Mal forderte sie ihn auf, Dinge zu tun, die er noch nie getan hatte, und beobachtete ihn dabei mit ihrem taxierenden Blick, bis sie langsam in eine Art Raserei verfiel, die ihn mitzog. Danach inhalierte sie wieder tief den Rauch der Zigarette, die sie sich angezündet hatte, und gab sie an ihn weiter.
»Schon besser«, sagte sie und sah ihn an, wie sie vielleicht ein Produkt ansah, für das sie die Werbung gestalten sollte, zumindest stellte sich Franz das vor, und es gefiel ihm, ein Objekt ihres Begehrens zu werden.
»Und wie hast du es ohne mich ausgehalten?«, fragte Franz nun.
»Nicht so gut«, sagte sie, schließlich sei sie ein Suchtmensch, sie hätte sich deshalb gar nicht erst an ihn gewöhnen wollen.
»Ich will nicht wegen Entzugserscheinungen leiden. Es ist also besser, wir sehen uns nicht wieder«, sagte sie.
Franz zog sie an sich.
»Ich muss dich aber wiedersehen«, sagte er, »immer und immer wieder!« Und während er die Raserei in ihr entfachte, echote der Schreck in ihm nach, bis er sich in der Raserei auflöste.
Er flog nun öfter nach Berlin, auch ohne Lexa und Franzi zu treffen und auch ohne Rosis Wissen. Luzie wurde zu einer Art Krankheit für ihn, aber nicht zu einer Geisteskrankheit, er war liebestoll. Oder liebessüchtig. Oder beides zusammen. Er wollte alles das, was er noch nie gewollt hatte. Sie sollte ihn fesseln, sein Begehren steigern und es ihm nicht erfüllen, so wie sich für die Opfer ihrer Werbekampagnen mit dem Besitz des begehrten Objekts nie das erfüllte, was die Werbung versprach. Er wollte süchtig nach ihr bleiben. Der Grund für seine Sucht, der Wunsch, die quälenden Gedanken loszuwerden, war ihm längst entfallen, die Bank hatte recht behalten, es war Gras über die Sache mit dem Nazigold gewachsen.
Doch dann deckte ganz zufällig Rosi alles auf. Sie hatte, weil sie Franzi zu ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag überraschen wollte, ein Zimmer in dem Hotel am Kurfürstendamm gebucht. Dort sah sie in der Hotelhalle Franz, der eigentlich in Stockholm auf Geschäftsreise sein sollte, mit einer jüngeren Frau.
11.
Zwei Jahre darauf, Alexandra feierte mit ihren Enkelinnen ihren fünfundsiebzigsten Geburtstag, waren Rosi und Franz so zerstritten, dass sie sich nicht mehr gemeinsam an die Geburtstagstafel setzen konnten. Lexa sprach zum ersten Mal mit ihren Schwestern von einem Vernichtungskrieg, den die Eltern mit ihren Scheidungsstrategien führten, der auch den Amselhof gefährden konnte. Daraufhin verabredeten die Schwestern, sich für ein gemeinsames Wochenende in Berlin bei Paula zu treffen. Bei ihr, die allen auch nach ihrer Trennung von Anton eine Vertraute geblieben war, in ihrem Schutz wollten sie nun Gegenstrategien zu dem Scheidungskrieg der Eltern entwickeln. Er hatte sich tatsächlich dramatisch verschärft, denn Rosi verlangte jetzt, Franz müsse den Amselhof, wo sie bislang, wenn auch in getrennten Wohnungen, noch gemeinsam gelebt hatten, verlassen.
Viereinhalb Stunden fuhr Lexa mit dem Zug durch die DDR nach Westberlin, sie arbeitete nun als Journalistin bei einer Wochenzeitung in Hamburg. Franzi musste nur die U-Bahn nehmen und den Bus, sie war nach ihrem Psychologie-Studium in Westberlin geblieben und betreute jetzt Kinder in einem antiautoritären Kinderladen. Lisa und Emily, die beiden mittleren Schwestern, reisten mit ihrem VW -Käfer von München an. Sie tauschten während der Fahrt ihre Erfahrungen aus, die sie unabhängig voneinander im indischen Poona gemacht hatten. Liane, sie war vor einem Jahr von einem Fotografen auf der Leopoldstraße angesprochen und als Model entdeckt worden, landete nach einem Mode-Shooting in London auf dem Flughafen Tegel. Nur Pia, die Jüngste, brach direkt vom Amselhof auf, sie nutzte eine Mitfahrgelegenheit. Als Einzige würde sie bereits am Sonntag wieder von Berlin nach München zurückfahren, am Montag würde ihre schriftliche Abiturprüfung beginnen.
Am Morgen hatte Paula mithilfe von Peter und Christoph die Loggia mit Matratzen ausgelegt. Jetzt ging sie in die Küche, kochte eine große Kanne Tee und schnitt den Blechkuchen auf. Peter, er war nicht mehr ihr Geliebter, jedoch ein Freund geblieben, und Christoph, auch er mit Lexa nur noch lose verbunden, seitdem sie ihren Gang durch die Institutionen bei einer Zeitung des bürgerlichen Lagers angetreten hatte, lungerten
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