Goldmacher (German Edition)
du hast einen Muskelpanzer«, parierte Franzi wie bei einem Ratespiel.
»Ich nehme an, du hast keinen«, stieg Franz ein.
»Weiß nicht«, Franzi dachte nach, »die meisten Menschen haben einen, wahrscheinlich auch ich«, gab sie dann zu, »und deshalb rollen wir gepanzert über die Wege und Straßen unseres Lebens und rollen alles nieder, was uns in die Quere kommt. Wir müssen, um überhaupt menschlich sein zu können, diesen Muskelpanzer ablegen. Am besten wäre es natürlich, ihn gar nicht erst anlegen zu müssen.«
»Bisher bist du mit deinem Panzer ganz schön weit gerollt«, meinte Franz, »was machst du denn ohne ihn? Kriechst du dann als Wurm über die Straßen und Wege deines Lebens?«
»Das ist ja mal wieder typisch«, grollte Franzi, »du und deine Generation, ihr könnt euch einen Menschen im Fluss seiner Sinne einfach nicht vorstellen, entweder Panzer oder Wurm! Es hat überhaupt keinen Sinn, mit dir zu diskutieren!«
Franzi stand zornig auf, knallte ihre Serviette auf den Tisch, jetzt wollte sie die Dachterrasse verlassen. Franz lief hinter ihr her, hielt ihren Arm fest und ließ sich nicht abschütteln.
Bei einem Espresso kam es in der Lobby zu einem weiteren Gesprächsversuch, dann gaben sie auf.
»Make love not war!«, rief Franzi, sah den unverständigen Vater an und schüttelte den Kopf: »Du verstehst einfach nichts«, sagte sie resigniert, stand auf, verabschiedete sich mit einem flüchtigen Kuss auf seine Wange und verließ mit Glöckchengeklingel die Hotelhalle.
10.
Franz sah auf seine Armbanduhr, in Erwartung endloser Gespräche mit Lexa und Franzi hatte er den letzten Flug gebucht, was sollte er jetzt, wo die Gespräche mit seinen Töchtern ausfielen, mit seiner Zeit anfangen? Er könnte umbuchen, überlegte er für einen Moment. Doch er verstand sich nicht auf solche Dinge. An der Rezeption würde man ihm gewiss helfen können. Franz durchquerte schnell die Hotelhalle. Gewiss könne er das, versicherte ihm der Portier an der Rezeption, er benötige dafür nur das Flugticket. Er werde es ihm in wenigen Minuten aushändigen, versprach daraufhin Franz und ging zu den Fahrstühlen, sein Ticket befand sich in seiner Reisetasche, und die war im Zimmer im zehnten Stock. Er drückte den Fahrstuhlknopf und wartete. Eine Frau stellte sich neben ihn und wartete auch.
»Wie wär’s, wenn ich Ihnen ein bisschen Gesellschaft leiste«, sprach sie ihn an, »die Flüge nach München sind ausgebucht.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich habe keinen bekommen«, sagte sie, »deshalb hätte ich Zeit, Ihnen Berlin zu zeigen«, schlug sie vor. Sie hielt ihren Kopf leicht schräg und sah ihn leicht von unten an, als würde sie ihn taxieren.
»Berlin zeigen?« Franz musterte die Frau unauffällig. Konnte sie eine Prostituierte sein? Er hatte sie schon gesehen, als er mit Franzi in der Lobby saß. Sie hatte dort Zeitung gelesen und geraucht. Und eben hatte sie auch an der Rezeption gestanden. Sie war mittelgroß, eher lässig gekleidet, abgesehen von den Pumps mit sehr schmalen, sehr hohen Absätzen. Ihr braunes Haar schien sich keiner Frisur anpassen zu wollen, es fiel immer wieder in ihr Gesicht. Sie war vielleicht Anfang dreißig, sogar ganz hübsch, doch das Auffälligste war ihr intensiver Blick.
»Ja, zum Beispiel die Mauer, das Brandenburger Tor, den Kurfürstendamm …«
»Den habe ich gestern gesehen«, unterbrach Franz, »und so aufregend, wie er sich nachts zeigt, wird er am Tag gewiss nicht sein.«
»Ach, ja? Kommen Sie, ich zeige Ihnen, wie aufregend er tagsüber ist«, sagte sie dann in einem so herausfordernden wie verheißungsvollen Ton und forderte ihn mit einer so lässigen Handbewegung auf, ihr zu folgen, dass Franz ihr tatsächlich folgte.
Ihr Wagen, ein Sportcoupé mit Berliner Nummer, parkte gegenüber des Hotels. »Geliehen«, erklärte sie, und Franz setzte sich auf den Beifahrersitz. Die Reifen quietschten, als sie wendete.
Sie ist jedenfalls bestimmt keine gewöhnliche Prostituierte, überlegte er. Sie verhielt sich völlig anders, als sich die Prostituierten in den Hotels sonst verhielten, wo sie sich unauffällig anboten und nicht auffällig wie diese hier. Franz beobachtete sie während ihrer gewagten Überholmanöver.
»War das Ihre Geliebte, mit der Sie sich auf der Dachterrasse gestritten haben?«, wollte sie an einer Ampel wissen.
»Meine Tochter«, antwortete Franz.
»Sehr ähnlich sieht sie Ihnen aber nicht.« Die Frau taxierte ihn wieder kurz und Franz gestand
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