Goldmacher (German Edition)
Chips, sie und Emily leiteten seit einigen Jahren in Schwabing ein Zentrum für körperorientierte Therapien, wie sie die Anwendung von indischen Heil-, Entspannungs- und Fastenmethoden nannten.
Unverhohlen neugierig musterten Lisa und Emily die jüngere Schwester von unten bis oben. Pia hatte sich in ein Kostüm gezwängt, sie war etwas mollig und balancierte vor ihren älteren Schwestern auf hohen Absätzen.
»Ziemlich ungesund, deine Pumps«, sagte Lisa wieder, »besonders für deine Wirbelsäule.«
»Kommen wir zur Sache«. Ohne auf Lisas Bemerkungen einzugehen, zeigte Pia auf eine Landkarte Indiens und begann, ihren beiden Schwestern die neue Philosophie für das väterliche Unternehmen zu erklären. Lisa und Emily hörten mit wachsender Skepsis zu.
»Hier wollen wir unsere ersten zwei Wellnesshotels eröffnen«, sagte Pia und zeigte auf die beiden großen roten Stecknadelköpfe, die auf der Landkarte in Südindien steckten.
»Niemand hier im Unternehmen kennt sich mit ganzheitlichen Gesundheitskonzepten aus, wir brauchen für die Umsetzung der Wellnessangebote also dringend Partner. Ihr praktiziert das seit Jahren und kennt beide Indien, es liegt klar auf der Hand, dass es toll wäre, wenn wir in dieser Sache zusammenarbeiten könnten, oder?«
»Spielst du jetzt hier die Unternehmerin?«, platzte Emily heraus und sah dann Lisa an, als erwarte sie von ihr die Antwort.
»Ich glaube, Pia spielt nicht Unternehmerin, sie ist es«, sagte Lisa, »sogar eine ziemlich gute, denn sie sucht die richtigen Mitarbeiter für die Expansion des Unternehmens.«
»Heißt das, ich kann mit euch rechnen?«
»Noch nicht, wir müssen erst mal die emotionale und geistige Basis klären«, sagte Lisa und begann von früheren Überzeugungen zu sprechen, die für sie heute nicht mehr gelten würden.
»Früher haben wir gedacht, die Veränderung unserer Gesellschaft kann nur von unten, von einer breiten Basis aus gelingen. Heute erfahren Emily und ich täglich, dass es Einzelne sind, die einen geistigen Impuls zu einer emotionalen Entwicklung …« Lisa brach ab und runzelte die Stirn, sie hatte den Faden verloren.
Emily nahm ihn auf: »Wir wollen nicht von Elite oder von Klasse oder von Führung oder so einem Quatsch reden. Nur vom Impuls. Vielleicht geht er von einer breiten Basis aus und setzt sich nach oben fort, um dann von dort nach unten zu wirken, oder auch umgekehrt.«
»Um es einfacher auszudrücken«, sagte Lisa, »wir wollen nicht Vaters alte Geschäftsmasche vom Geld, das die Welt veredelt, mit Wellnessangeboten verjüngen. Wir sind keine Geldmacher.«
»Korrekt!«, bestätigte Emily und sah Lisa begeistert an, »so wie du es ausdrückst, könnte ich es nimmer!«
Pia seufzte. »Schade, dass ihr nicht mitmacht«, sagte sie nur.
»Wieso machen wir nicht mit? Du hast doch noch gar nicht mit uns verhandelt!«
Die Verhandlungen zogen sich über Wochen hin, bis Pia den Versuch, Lisa und Emily ins Familienboot zu holen, schließlich für gescheitert hielt.
»Ich werde sie überzeugen«, sagte Franz und stand eines Abends vor ihrer Haustür.
Lisa und Emily wohnten im selben Haus, die eine im dritten, die andere im vierten Stock. Beide Schwestern waren alleinerziehende Mütter und unverheiratet geblieben. Beide hatten sie sich während der Affäre ihres Vaters mit Luzie enttäuscht von ihm zurückgezogen und zu Rosi gehalten. Auch nach seinem Unfall hatten sie im Gegensatz zu ihrer Mutter ihm nicht verziehen. Zu seinem fünfundsechzigsten Geburtstag hatten sie Rosis Drängen zwar nachgegeben und waren mit den Kindern zur Geburtstagsfeier auf den Amselhof gekommen. Als sie den Vater dann sein steifes Bein wie eine Trophäe herumschwenken sahen und er sich ihnen als Kapitän Ahab vorstellte, den sie aus »Moby Dick« in allerschlechtester Erinnerung hatten, hielten sie ihn und seine Aufführung doch wieder nur für einen einzigen »Schmarrn«. Bei dieser Meinung waren sie seitdem geblieben, und die wollten sie auch keineswegs ändern, auch nicht an diesem Abend.
Mit dem Summton des Öffners stieß Franz die Haustür auf und trat ins Treppenhaus. Emily schaute von oben die Treppenspirale hinunter, an deren Geländer sich Franz nun langsam hinaufzog. Lisa und ihre beiden Töchter sowie Emilys Sohn kamen ihm entgegen. Oben in der Wohnung boten sie ihm heißes Wasser und Kräutertee an und ließen ihn die ganze Zeit reden. Die Kinder waren längst im Bett, als Lisa abschließend sagte, dass sie, wenn überhaupt, nur Pia
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