Goldmacher (German Edition)
Goldmacherei!«, rief Anton. »Wahrscheinlich versprechen deine Zauberer aus Wissenschaft und Technik, diese modernen Goldmacher, den ganzen Müll und Dreck, den ihre Erfindungen hinterlassen, in neue Ressourcen zu verwandeln!«
Es wurde laut im Kabinett, die Leute vom Theater strömten herein, setzten sich an die Tische, und die Wirtin gab Moritz ein Zeichen, die Plätze bald zu räumen, er nickte. Seine Miene war sorgenvoll geworden. Sie galt jedoch nicht dem von Anton beschworenen ungedeckten Wechsel auf die Zukunft. Noch in der Nacht rief er Simon an, der Bruder nahm an einem Tauchkursus in Florida teil. Er sei ernsthaft beunruhigt, sagte Moritz, denn kaum sei Anton aus der irrealen Pharmadrogenwelt in die reale Welt zurückgekehrt, befände er sich auf dem Weg in eine Depression.
»Er glaubt, die Welt geht unter«, beschrieb Moritz die Befindlichkeit Antons.
»Ältere Menschen entwickeln diese Projektion ja leicht«, meinte Simon, »ihre Welt geht doch auch tatsächlich unter. Das ist eine ganz normale Altersdepression, die kann man behandeln«, beruhigte er den Bruder und ließ sich von ihm die Telefonnummer des Hotels am Kurfürstendamm geben. Er rief den Vater am nächsten Morgen an und fragte ihn, ob er sich vorstellen könne, nach Florida zu kommen und an einem der Kurse teilzunehmen.
»Du wirst hier eine sehr gute Erfahrung machen und dein Selbstvertrauen zurückgewinnen«, sagte Simon.
»Ist das ein Vorschlag von Moritz?«, wollte Anton wissen, und Simon sagte, Moritz mache sich Sorgen, er könne einen Rückfall erleiden.
»Sie behandeln hier auch ältere Klienten. Mit großem Erfolg«, Simons Stimme war nah, als wäre er im Hotelzimmer nebenan.
»Du bist seit damals nicht mehr am Meer gewesen«, hörte Anton ihn sagen, »ich auch nicht«, fuhr Simon fort und hielt wieder inne, Anton schwieg.
»Bis ich hierherkam. Bist du noch da?«
»Ich höre dir zu«, sagte Anton.
»Mutters Tod war für uns alle ein Trauma. Ich bin hier davon geheilt worden«, sagte Simon.
»Und du meinst tatsächlich, ich sollte mit einem Delfin ins Meer hinausschwimmen?«
»Mit mir zusammen, ja. Und übrigens, ich traue es mir jetzt zu«, sagte Simon.
»Was traust du dir zu?«
»Mein Jura-Examen. Wenn ich es in der Tasche habe, steige ich bei Moritz ein. Hat er dir erzählt, dass er wegen der schlechten Straßen in der Ex- DDR einen Flugschein macht?«
»Ich habe das Gefühl, ihr seid beide in einer galoppierenden Aufbruchsstimmung«, meinte Anton.
»Kommst du?«, hörte er Simon fragen.
»Ich denke darüber nach«, antwortete er.
Als Anton den Hörer aufgelegt hatte, versuchte er, sich vorzustellen, mit einem Delfin zu schwimmen, erst im seichteren Wasser des Trainingscamps, wie Simon es ihm beschrieben hatte, dann aus der Bucht hinaus. Und nun jeden Tag immer ein bisschen weiter hinaus aufs offene Meer. Er schlief darüber noch einmal ein.
Paula wartete bereits in der Hotelhalle. Während er auf sie zuging, musterte sie ihn prüfend.
»Gratuliere, du scheinst es geschafft zu haben«, sagte sie dann, »und das ganz ohne meine Hilfe.«
Sie schüttelte scheinbar ungläubig den Kopf. Am Anfang seiner Absturzzeit nach Sissis Tod hatte Paula auf Drängen von Lexa mehrfach erfolglos versucht, als rettender Engel in Antons Leben zu treten.
Sie setzten sich in den Salon und bestellten ein Frühstück. Paula zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch nach oben, als müsse Anton geschont werden.
»Ich muss unbedingt damit aufhören«, sagte sie und drückte die Zigarette wieder im Aschenbecher aus, »sonst bekomme ich noch Lungenkrebs. Was gibt’s? Brauchst du Hilfe? Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, dass alle meine Freunde, und auch die, die nicht meine Freunde sind, irgendeine Art Hilfe von mir erwarten. Also, wie kann ich dir helfen?«
Sie schauten sich an. Wie viele Jahre war es her?, schienen beide zu überlegen.
»Reine Sentimentalität«, meinte Anton nun, er habe sie aus reiner Sentimentalität wiedersehen wollen, er brauche keine Hilfe, und dann erzählte er von Moritz und dem Flugschein und seinen Plänen, und von Simon, und wie er mit Delfinen tauchen und damit sein Trauma auflösen würde.
»Ältere Menschen wie ich dürfen dort auch mit den Delfinen schwimmen«, sagte Anton, und Paula sah den alten Schalk in seinen Augen aufblitzen. »Und wie geht es dir, was machst du?«, fragte er dann.
»Ich gehe mit der Mode, und Feiern ist jetzt in Mode. Die Modetanten wollten mich loswerden, ich
Weitere Kostenlose Bücher