Goldmacher (German Edition)
zuliebe ein sinnvolles Wellnessprogramm entwickeln würden.
»Wir wollen, dass sie Erfolg hat«, sagte Lisa und schaute Franz streng an, so als habe er insgeheim vor, Pias Erfolg zu verhindern.
Franz geriet daraufhin richtig in Fahrt, beschwor die Familie und das Familienunternehmen, das er mit seiner ihm noch verbliebenen Kraft, seinem Wissen und seiner Erfahrung erhalten und ausbauen wolle, damit es in einer Welt überleben könne, in der es die Familie nicht mehr gäbe und auch nicht die Familienunternehmen! Die Beteiligung der Bank und anderer Investoren am Familienunternehmen Solotel ließ er wie üblich einfach unter den Tisch fallen.
Emily und Lisa erbaten sich eine kurze Bedenkzeit für ihre Entscheidung.
Als Franz gegangen war, meinten sie, er rede nicht nur zu viel Schmarrn, er sei auch selbst einer. Aber dann breitete sich eine seltsame Stille zwischen ihnen aus, sie schwiegen ungewohnt lange, lauschten auf ihre Gefühle, weit entfernte kindliche Gefühle, die von der väterlichen Familienbeschwörung aufgestöbert worden waren.
»Wir machen es«, sagte Lisa schließlich.
»Aber nur wegen Pia«, betonte Emily.
Indessen eilte Franz, auf seine Krücke gestützt, hinkend zum Taxistand am Rosenheimer Platz, setzte sich zu dem Fahrer auf den Vordersitz, wegen seiner Körperfülle vermied er die Enge auf der Rückbank. Trotz des Fitnessprogramms, das er täglich absolvierte, hatte er seit dem Unfall recht schnell zugenommen. Und er nahm einfach nicht wieder ab. Ihm fehlte der Sport. Heftiger als unter allen anderen Missliebigkeiten litt er darunter, nicht mehr bei Wind und Wetter segeln und im Winter Skilaufen zu können, im Herbst und im Frühling im Berg zu wandern, ganz abgesehen davon, dass er ja auch nicht mehr Tennis spielen konnte.
Er brauchte dringend mehr Bewegung, dachte Franz und bat den Taxifahrer anzuhalten und ging den Rest des Weges zu Fuß. Etwas außer Atem betrat er die Osteria, ein Wirtshaus mit italienischer Küche. Er war dort mit dem Sohn eines alten Bekannten aus dem Vorstand der Bank verabredet, seiner Hausbank, wie Franz die Bank manchmal auch nannte. Er hätte sie auch seine Familienbank nennen können. Doch das vermied er, obwohl die Verwicklungen der Bank in das Geschäft mit dem Nazigold längst dem kollektiven Vergessen anheimgefallen waren. Bei ihm schwelte das Wissen davon noch unter der Oberfläche.
Der Sohn des alten Bekannten aus dem Vorstand war Geschäftsführer der Münchner Zentrale. Franz wollte ihn für die Expansion des Unternehmens gewinnen, für das neue Konzept. Später bestellte er Champagner, und sie stießen darauf an.
»Wellness«, sagten beide wie aus einem Mund und toasteten sich zu.
In den folgenden Wochen und Monaten wurde Franz von einer großen Rastlosigkeit erfasst. Er hatte mit der Bank einen hohen Kredit ausgehandelt, den höchsten, den er je aufgenommen hatte. Das Finale seiner Jagd auf den großen Fisch hatte begonnen, denn er hatte vor, Solotel nicht einfach nur mit zwei Wellnesshotel-Perlen zu schmücken, er wollte noch viele Perlen zu einer Kette auffädeln. Zuerst reiste er mit Rosi nach Indien, anschließend nach Thailand. Und seine Rastlosigkeit hielt an.
4.
Der Amselhof verwaiste. Alexandra verbrachte ihre Zeit dort jetzt ähnlich wie Jahrzehnte zuvor, als sie nach dem Krieg schon einmal ganz allein hier gelebt hatte. Wie damals saß sie oft am Fenster ihrer Wohnung, wenn auch nicht mehr im Dachgeschoss, sondern im ersten Stock, und schaute in den Hof hinunter. Sie war nun zweiundneunzig Jahre alt.
»Es scheint fast so, als hätte der Cognac eine konservierende Wirkung auf deine Mutter gehabt«, hatte Rosi zu Franz gesagt, als Alexandra die Feier zu ihrem neunzigsten Geburtstag mit einem einstündigen Morgenspaziergang am See in Begleitung von Plus III. eröffnete. Auch Franz fand jedes Mal, wenn er Alexandra nach Wochen wiedersah, sie sei unverändert. Alexandra selber jedoch fühlte sich nun doch kontinuierlich schwächer werden. Erst von Jahr zu Jahr, dann von einem Monat zum anderen, schließlich von Woche zu Woche und nun von einem Tag auf den nächsten.
Sie schob es auf den Mangel an Abwechslung. Früher kamen ihre Enkelinnen mit den Kindern, ihren Urenkeln, in regelmäßigen Abständen zu Besuch, aber jetzt lebte Lexa mit ihrem Mann und den Kindern in Australien und Franzi in Südafrika. Lisa, Emily und Pia, die in München wohnten, fanden sich immer seltener auf dem Amselhof ein. Sie hätten furchtbar viel zu tun, klagten
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