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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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sei zu alt für die Mode, hieß es. Aber zum Feiern ist man nie zu alt!« Paula lachte. »Ich mache Eventmanagement«, sagte sie und erzählte gleich auch noch von der Philosophie des Feierns, von der Kultur des Feierns und davon, wie rasant sich das Feiern als Geschäft entwickeln würde.
    »Es herrscht Aufbruchsstimmung, nein, Goldrauschstimmung in der Stadt«, sagte sie. »Es werden große Dinge erwartet, und noch weitaus größere, wenn der Kapitalismus erst einmal auf Hochtouren läuft, wenn er erst mal zeigt, was er kann. Dann erst werden wir sehen, wer dabei unter die Räder kommt, sagt mein alter Freund Peter.«
    »Und dann?«
    »Dann gibt es eine Revolution. Das wolltest du doch von mir hören, oder? Und wie sieht es bei dir aus?«
    »Ich interessiere mich für die Zukunft«, sagte Anton.
    Nach dem Frühstück mit Paula schritt Anton in der Hotellobby unschlüssig auf und ab. Moritz hatte ihm eine Besichtigungstour vorgeschlagen, dafür müsste er eine Verabredung mit dem neuen Geschäftsführer am Nachmittag in seinem Büro absagen. Er hörte eine Frauenstimme hinter sich.
    »Wie lautet das zehnte Gebot? Können Sie es auswendig?«, fragte sie.
    Er drehte sich zu ihr um und Luzies Sensorblick erfasste ihn.
    »Du sollst nicht begehren die Frau deines Nächsten, damit fängt es an«, antwortete Anton. »Wann bekomme ich meine erste Lektion?«
    Luzie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Von fünf bis sechs«, sagte sie, »im Bistro.« Dann nahm sie den Fahrstuhl hinunter in die Parkgarage und rief ihm noch irgendetwas von einem Fototermin zu, bevor sich die Fahrstuhltür schloss.
    Anton sagte die Verabredung mit seinem Geschäftsführer ab und traf sich mit seinem Sohn. Um kurz vor fünf setzte Moritz ihn nach einer Besichtigungstour von ganz Ostberlin wieder am Hotel ab. Er ging ins Bistro und sprach dabei in Gedanken vor sich hin: »Du sollst nicht begehren die Frau deines Nächsten und auch nicht seinen Knecht, seine Magd, sein Rind, seinen Esel und nichts von dem, was deinem Nächsten gehört!«
    Anton schaute sich im Bistro um, Luzie war noch nicht da. Er setzte sich an einen der Tische an der oval gebogenen langen Fensterfront, die eine Art Aquariumblick in die Menge der vorbeiströmenden Passanten draußen auf dem breiten Boulevard eröffnete. Und dann tauchte sie tatsächlich geschmeidig und schnell wie ein Fisch im Wasser im Gegenstrom aus der Menge auf. Kurz darauf saß sie ihm gegenüber. Sie trug eine Art Sportkleidung mit seitlichen Streifen an der Jacke, die sich außen entlang den Hosenbeinen und auch über die Laufschuhe fortsetzten. Sie komme vom Fitnesstraining, erklärte sie und bestellte ein großes Glas frisch gepressten Orangensaft, zog eine Kassette aus ihrer Sporttasche und legte sie vor sich auf den Tisch.
    »Ich wollte Ihnen die Kassette eigentlich schicken. Ich habe nichts mehr von Ihnen gehört. Lektion eins«, sie tippte mit dem Finger auf die Kassette, »können Sie ja mal reinhören«, schlug sie vor, »über das Begehren«, sie schob sie zu ihm hinüber: »Von mir für Sie besprochen. Gefällt Ihnen nicht?«, las sie an Antons Miene ab, »wird Ihnen gefallen«, versprach sie dann und trank das große Glas Orangensaft aus.
    »Nichts sollst du begehren von dem, was deinem Nächsten gehört. Nichts! Damit hat das zehnte Gebot ausgesprochen, was wir begehren, nämlich das, was dem Nächsten gehört. Das ist unsere menschliche Natur. Ich habe an der Sorbonne studiert, und die Franzosen sind Spezialisten im Begehren, als Werberin sollte man es auch sein, denn«, Luzie beugte sich über den Tisch nahe zu ihm hinüber und sprach leise, fast flüsternd: »Es ist eine ungeheuerlich große, eine dämonische, eine teuflische Macht, die mich dazu bringt, das zu begehren, was meinem Nächsten gehört. Niemand kann diese Macht beherrschen, wir alle werden von ihr beherrscht. Doch es gibt einige wenige, die durch sie über viele herrschen.«
    Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und blinzelte, als wäre plötzlich das Licht im Raum zu hell geworden: »Der da oben weiß Bescheid«, sagte sie in normaler Lautstärke und zeigte mit dem Finger nach oben. »Wir in der Werbung testen das auf unsere harmlose Weise aus, es klappt immer.«
    »Hat es auch mit Franz geklappt?«
    »Make love not war«, sagte sie leise, »damit fing es an. Ich habe seine Tochter damals für seine Geliebte gehalten.«
    Daraufhin stand sie auf, sagte entschuldigend etwas von einem unvorhergesehenen Termin und dass er

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