Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
Vom Netzwerk:
und anheimelnd zugleich.
    »Bist du etwa schon wach?«, hörte er den Vater aus der Tiefe des zweiten Bettes mit einem gleich hoch getürmten Federberg fragen.
    »Es ist viel zu früh, um schon aufzustehen«, murmelte die Stimme dann müde über den Berg hinweg, »schlaf noch etwas weiter!«, befahl sie ihm leise.
    »Ich habe heute Geburtstag«, sagte Anton laut, kroch seitlich aus seiner Betthöhle heraus und kletterte auf den Federberg über dem Vater.
    »Das weiß ich«, antwortete der Vater leicht gereizt, er war, aufgewühlt von den Ereignissen, erst spät eingeschlafen. Schließlich setzte er sich aber dann doch auf, rieb sich die Augen, fuhr sich, es ordnend, durch sein zerzaustes Haar und musterte seinen Sohn.
    »Das war ja eine großartige Geburtstagsvorstellung, die du da gestern Abend im Weißen Bräuhaus gegeben hast«, sagte er, »meinen allerherzlichsten Glückwunsch!«
    Vorsichtig strich er seinem Sohn über die Stirn, und Anton zuckte sofort zusammen. Die Stelle unterhalb des Haaransatzes, dort, wo sich das Koppelschloss des Gürtels dieses räuberischen Riesen in seine Stirn eingedrückt hatte, war zwar über Nacht verkrustet, aber auch angeschwollen.
    Blut sei ihm übers Gesicht gelaufen, begann der Vater zu erzählen, zudem wären Hemd und Hose auch noch mit seinem Mageninhalt besudelt gewesen, die gesamte Kleidung habe er dem Nachtportier für das Zimmermädchen zum Waschen geben müssen. Und bis zum Droschkenstand habe er ihn getragen, schwer wie ein Sack Kartoffeln sei er gewesen, und wie er gerochen habe! Gott sei Dank habe die neue Jacke über der Stuhllehne gehangen!
    Anton lächelte verlegen, keinesfalls wollte er mit dem Vater über das Fräulein Mizzi sprechen. Auch nicht über den räuberischen Riesen und weshalb er das Fräulein Mizzi befreien musste.
    »Kriege ich kein Geschenk?«, fragte er stattdessen schnell.
    Der Vater griff unter sein Kopfkissen, zog ein Päckchen hervor und gab es Anton. Es war recht schwer. Anton löste das bunte Band und vorsichtig das bunte Papier, mit dem es eingeschlagen war, und hielt nun ein Buch in der Hand, groß und schwer wie keins, das er sonst besaß.
    Er betrachtete die Abbildung auf dem Schutzumschlag, eine Zeichnung in Farbe, auf der im Vordergrund ein altertümlich gekleideter Mann zu sehen war, die eine Hand auf die Reling eines großen Segelschiffs gestützt. Eines seiner Beine war zur Hälfte durch eine Art Krückstock ersetzt. Sein Blick richtete sich auf den Horizont, wo ein riesiges Fischwesen aus dem Meer auftauchte.
    »Das ist Moby Dick, der weiße Wal«, erklärte der Vater, dann wies er auf den Einbeinigen, »und das ist Kapitän Ahab. Er ist von der Idee besessen, den weißen Wal zu töten, weil … – nein, ich werde dir die Geschichte nicht erzählen, du wirst sie selber lesen, vielleicht auch erst später, wenn du etwas älter bist, ›Moby Dick‹ ist ein Buch für das ganze Leben, du kannst es auch erst lesen, wenn du so alt bist wie ich, oder es immer wieder lesen, wie ich, es ist ein Buch voller Rätsel. Bekomme ich keinen Kuss?«
    Johann drückte seinen Sohn in einer aufwallenden heftigen inneren Bewegung kurz an sich. Am gestrigen Abend war er trotz des großen Schrecks, den er bekommen hatte, sehr stolz auf ihn gewesen. Anton war aus einer kurzen Ohnmacht erwacht und schnell in tiefen Schlaf gefallen und nicht aufzuwecken gewesen. Während der Fahrt mit der Droschke vom Weißen Bräuhaus durch die dunklen leeren Straßen bis ins Hotel Blaues Haus hatte er einen Vergleich für die todesmutige Kampfansage Antons an den rüpelhaften SA -Mann gefunden: Es sei wie der Kampf Davids gegen Goliath gewesen, würde er zu Katharina sagen. Er, Johann Bluhm, hätte keineswegs gewagt, sich mit dem SA -Mann anzulegen, obgleich auch ihn das grobe Benehmen gegenüber dem Fräulein Mizzi empört hatte. Gewiss, Anton wusste nicht, dass es ein SA -Mann war, dem er seinen Kopf in den Bauch rammte, er hatte wahrscheinlich überhaupt noch nie etwas von der Sturmabteilung der Nationalsozialisten gehört. Doch ganz abgesehen von der offensichtlich überlegenen Stärke dieses hünenhaften Mannes würde er, Johann Bluhm, sich niemals mit einem von der SA anlegen, er würde so unauffällig wie möglich den Ort schnell verlassen.
    Anton beugte sich zum Vater hinunter und küsste ihn zum Dank für das Geburtstagsgeschenk auf die Wange, kurz darauf schlug eine nahe Kirchturmuhr sieben Mal.
    »Jetzt beeilen wir uns und haben dann viel Zeit für ein

Weitere Kostenlose Bücher