Goldmacher (German Edition)
zu fragen, schließlich war er jetzt, selbst in dessen Gegenwart, richtig erwachsen. Mit einem Mal.
Fräulein Mizzi nahm ihm die Jacke ab, hängte sie neben ihn über die Lehne eines freien Stuhls und strich ihm daraufhin erneut übers Haar: »So blond«, schwärmte sie, trennte dann ein Stück vom Kaiserschmarren und servierte es ihm auf einem Teller.
»Na dann, einen Guten!«, wiederholte der Vater und nickte seinem Sohn zu.
Anton bemerkte, wie ihm der Duft der süßen Speise das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Er musste erst einmal schlucken, bevor er mit der Gabel den ersten Bissen aus dem Stück Kaiserschmarren auf seinem Teller lösen konnte.
Fräulein Mizzi war vor ihm stehen geblieben und sah ihn nun erwartungsvoll an, ihr Lächeln war wie der Duft des Bissens auf seiner Gabel. Er schob ihn in den Mund. Was war das? Noch nie hatte etwas so unvergleichlich Weiches und Süßes seinen Gaumen berührt, und augenblicklich verschmolzen das Fräulein Mizzi und der Kaiserschmarren miteinander. Er schaute mit einem schmelzenden Blick zu ihr auf.
Sie antwortete mit einem beglückten Auflachen und kreiselte dann wieder von Tisch zu Tisch, dass ihre Röcke ins Schwingen gerieten, und auch ihr gewelltes schwarzes Haar und die Bänder ihrer Schürze.
So wie Anton das Fräulein Mizzi mit den Augen verschlang, wann immer sie in sein Blickfeld geriet, verputzte er nun trotz der Warnung des Vaters, dass es ihm nicht gut bekommen könnte, Bissen um Bissen der ganzen, großen Portion des Kaiserschmarrens. Als der Vater ein zweites Bier für sich bestellte, verlangte Anton auch nach einem zweiten Bier und trank zur süßen Speise das süße dunkle Malz, das ihm eigentlich nicht schmeckte. Nur um jedes Mal Fräulein Mizzi, wenn er auch nur einen schwingenden Rockzipfel von ihr erblickte, zuzuprosten, worüber sie sich jedes Mal, so weit entfernt sie sich in der Stube auch von ihm befand, sehr zu freuen schien. Er war stolz, dass ihm das mit dem Zuprosten eingefallen war.
Als der Vater bezahlen und aufbrechen wollte, wünschte sich Anton ein drittes Bier, weil er ja bald Geburtstag habe, setzte er schnell hinzu, nachdem der Vater sofort protestierte. Tatsächlich brachte Fräulein Mizzi ein drittes Malz und fuhr ihm ein weiteres Mal mit der Hand durchs Haar. Dieses Mal hielt er sie sogar kurz fest, die Hand, eigentlich entschlossen, sie nie wieder loszulassen. Am liebsten wäre er jetzt eingeschlafen. Hier unten in der Höhle fühlte er sich mittlerweile zu Hause wie sonst nirgendwo.
Schließlich verlangte der Vater dann doch die Rechnung und Fräulein Mizzi stellte sich, einen Rechnungsblock in der einen und einen Stift in der anderen Hand, zu ihnen an den Tisch. Während sie die verzehrten Speisen und Getränke aufzählte und die Preise aufschrieb, die Summe unter dem Strich zusammenzog, zweimal unterstrich, den Zettel vom Block riss und ihn vor dem Vater auf den Tisch legte, folgte Anton jeder ihrer Bewegungen, vor allem den Bewegungen ihrer Lippen, die sich beim Zählen lautlos öffneten und schlossen und wieder öffneten. Ohne dass Anton es bemerkte, öffneten und schlossen sich parallel zu ihren auch seine Lippen. Und dann blieben seine Augen an dem Herz hängen. Es hing an einer goldenen Kette und lag im Ausschnitt ihres Kleides, der ebenfalls eine Herzform hatte.
Johann griff nach seiner Brieftasche, die er in der Innenseite seines Jacketts trug, da wurde es durch den ohnehin nicht geringen Lärm hindurch plötzlich sehr laut. Ein andauerndes Gepolter und das Grölen einer Männerstimme drangen aus dem angrenzenden Saal in die Intimität der Stube.
Der Vater blickte fragend das Fräulein Mizzi an, doch sie fixierte mit plötzlich erstarrter Miene seine Brieftasche, die er noch ungeöffnet in Händen hielt. Er klappte sie nun schnell auf, aber da erfüllte auch schon das Gegröle die Stubenschlucht.
Vater und Sohn schauten aufgeschreckt am nun gänzlich erstarrten Fräulein Mizzi vorbei und erblickten im Gang einen Mann, der unweit von ihnen leicht schwankend und laut grölend stehen geblieben war. Er hatte bereits die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen und erschien Anton groß wie ein Riese.
Er trug eine Art Uniform, die Anton noch nie gesehen hatte und an der ihm vor allem die hohen, schwarz glänzenden Schaftstiefel und der ebenso schwarz glänzende Gürtel mit dem Koppelschloss auffielen. Der Riese schwankte nun leicht nach allen Seiten, während er etwas in ihre Richtung grölte. Anton verstand nur
Weitere Kostenlose Bücher