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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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stürzte er sich mit gesenktem Kopf auf seinen Gegner. Und wie damals war er nicht nur mutig, er war angesichts seiner wenn auch zähen, so doch im Vergleich zu der von Franz eher zarten Konstitution todesmutig. Nicht anders als die anderen HJ ler hatte Anton morgens und abends dabei zusehen können, wie Franz bei fünfzig Klimmzügen und fünfzig Liegestützen seine Muskeln spielen ließ. Das beeindruckte kolossal, auch Anton. Keiner von ihrer Truppe wäre je auf die Idee gekommen, sich mit Franz messen zu wollen oder gar ihn anzugreifen, unangefochten hielt er den Platz des Anführers.
    Umso überraschender, ja, gänzlich unerwartet kam dieser Angriff, Franz hatte noch nicht einmal seine Bauchmuskeln angespannt, als Antons Kopf ihn traf, er kippte einfach nach hinten ins Heu und sein Angreifer mit ihm.
    Aufprallend spürte Anton einen harten Widerstand, der sich schmerzvoll in seine Stirn grub, es war das Koppelschloss der HJ ler von Franzens Gürtel. Und durch die vielen Blitze, die jetzt hinter seinen geschlossenen Lidern das Dunkel durchzuckten, sah er das Koppelschloss am Gürtel des SA -Mannes, das er längst vergessen hatte.
    Wie ein Maikäfer auf dem Rücken lag Franz ungewohnt hilflos im Heu und versuchte vergebens, sich von Anton zu befreien. Die anderen HJ ler und vor allem Adjutant Hans Müller, nicht anders als Franz von Antons todesmutigem Kopfangriff überrumpelt, starrten wie gebannt auf den Kampf. Sie rechneten jeden Moment damit, dass Franz unter fürchterlichem Gebrüll Anton packen, ihn hochstemmen und dann in die Tiefe des Heubodens schleudern oder gar gegen den Holzpfeiler schmettern würde, dorthin, wo das zerfledderte Buch lag. Aber nichts dergleichen geschah. Statt eines Brüllens hörte man nur ein Keuchen, dann drang plötzlich ein Röcheln aus Franzens Mund und sein Kopf fiel zur Seite, und nichts war mehr von ihm zu hören, noch nicht einmal sein Atem.
    Erschrocken sprang der dickliche kleine Hans Müller auf, um Anton zurückzureißen. Es gelang ihm nicht. Nun halfen die anderen mit, den vom Todesmut durchpulsten, noch immer verbissen kämpfenden Anton von dem wie tot daliegenden Franz wegzuzerren, was ihnen schließlich gelang. Erst dann sahen sie all das Blut und wie es Anton über die Stirn und die geschlossenen Augen lief, über das Gesicht und an den Ohren entlang den Hals hinunter. Auch Anton gab nun alle Gegenwehr auf, regungslos lag er neben Franz.
    Augenblicklich und in panischem Schrecken kletterten die anderen vom Heuboden hinunter, übersprangen die letzten Sprossen zur Tenne, blieben neben der Leiter stehen und riefen laut: »Der Franz, der Franz!« und »Der Anton, der Anton!« Mit ausgestreckten Armen wiesen sie beschwörend nach oben.
    Die Männer und Frauen, noch immer damit beschäftigt, das Erntedankfest vorzubereiten, kümmerten sich nicht groß um die aufgebrachten Jungen, nur Bauer Buck fragte, was denn sei mit dem Franz und mit dem Anton.
    »Tot!«, riefen die vier wie aus einem Munde und sahen ängstlich hinauf zum Heuboden.
    Jetzt wurde es plötzlich still auf der Tenne. Alle blickten verwundert zu den HJ lern und schauten dann stirnrunzelnd hinauf zum Heuboden, wo sich nichts rührte. Nun rief der Bauer mehrmals laut die Namen der beiden, aber weder Franz noch Anton antworteten, und so erklomm er schließlich beherzt die Leiter.
    Als der schwere Mann, ein wenig keuchend, über den Heuboden auf die beiden zukroch, murmelte er erschrocken: »Leck mi am Mors!«
    Der wachsbleiche Franz und der blutende Anton lagen tatsächlich regungslos hingestreckt im Heu.
    Bald darauf saßen die Totgeglaubten dann schon wieder an einem der Tische auf der Tenne, einen Becher heißer Milch mit Honig vor sich, Anton mit gewaschenem und Franz mit nicht mehr ganz so wachsbleichem Gesicht.
    »Sitzen geblieben und nicht vom Fleck gerührt!«, hatte ihnen der Bauer befohlen. Er warf ihnen immer wieder einen kurzen Drohblick zu, während er mithilfe der anderen HJ ler den aus gelbem Stroh geflochtenen und mit Feld- und Gartenfrüchten geschmückten Erntedankkranz, der groß wie ein Wagenrad war, in der Mitte der Tenne am Balken befestigte.
    Aber auch ohne Bauer Bucks Befehl hätten sich Anton und Franz nicht vom Fleck gerührt, der Schreck saß ihnen noch gehörig in den Gliedern, dem einen über die eigene, dem anderen über die Ohnmacht des anderen. Der eine stellte sich zum ersten Mal seinen Tod vor, der andere zum ersten Mal, getötet zu haben.
    Während Anton mit beiden Händen das

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