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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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drei anderen HJ ler bereit waren, sie stemmten die Fäuste in die Hüften oder steckten die Hände in die Hosentaschen.
    »Anton ist ab sofort Gruppenführer und wird die Feier organisieren«, wiederholte Franz.
    Anton versuchte noch immer, Franz zu verstehen, das Spiel zu entschlüsseln, das er spielte.
    »Was für eine Feier?«, fragte der Adjutant. Auch einer von den anderen HJ lern wollte wissen, wieso denn der Bluhm plötzlich Gruppenführer sein solle.
    »Franz Münzer ist unser Gruppenführer!«, rief Adjutant Hans Müller und drückte damit den Wunsch aller aus, und schlug die Hacken dabei zusammen.
    Franz antwortete nicht, er fixierte Anton.
    Einigermaßen verlegen strich sich der Adjutant das Haar glatt und schielte nun ebenfalls zu Anton, der betreten auf das Buch in seinen Händen starrte, während die anderen drei HJ ler von einem Bein aufs andere traten, immer ungeduldiger Franzens Erklärung erwartend und bereit, umgehend in schallendes Gelächter auszubrechen. Denn bestimmt hatte sich der Münzer nur einen Scherz ausgedacht, um sich am Bluhm zu rächen und den Müller zu foppen oder ihn sogar zu prüfen. Zum Schluss wäre der Münzer dann doch ihr Anführer und der Bluhm wie immer das Schlusslicht, der blasse Bücherwurm, den sie im Laufe des Erntedankfestes betrunken machen wollten, um ihm sein Buch wegzunehmen und es zur Erntedankfestfeier in den Schweinetrog zu werfen. So hatte Franz es ihnen vorgeschlagen.
    »Es gilt, Anton ist neuer Gruppenführer, ich folge ihm und ihr folgt mir«, wiederholte Franz entschieden.
    »Und unsere Erntedankfestfeier?«, erinnerten sie Franz an seinen ursprünglichen Plan.
    Franz ließ sich nicht beirren: »Anton organisiert die Feier, wir warten auf seinen Befehl«, sagte er nun in einem Ton, wie er ihn einem Auserwählten gegenüber für angemessen hielt.
    Die HJ ler schauten jetzt ungläubig und deutlich verwirrt zwischen Franz und Anton hin und her.
    »Aber das ist doch alles nichts als ein großes Brimbamborium!«, hätte Anton nun am liebsten ausgerufen und sich mit »Moby Dick« ins Heu verkrochen. Die Wunde auf seiner Stirn pochte, sein Nacken tat weh, in seinem Kopf wurzelte noch immer ein dumpfer Schmerz. Aber dann sah er Franz an, und in Franzens Augen las er die Bitte, er möge doch dieser Auserwählte mit dem Zeichen auf der Stirn sein. Und da meinte Anton, das Spiel zu verstehen: Einer wie dieser Franz Münzer, ein Wunderwaffengläubiger, der kann, nein, der darf, wenn überhaupt, nur von magischen Kräften besiegt werden.
    Einen Augenblick noch schwankte Anton, dann gewann sein Spieltrieb die Oberhand und die Neugier, ob Franz tatsächlich bereit wäre, ihm zu folgen. Er schaute nun in die HJ ler-Runde und jedem entschlossen in die Augen, dem Müller etwas länger, legte »Moby Dick« vor sich hin, stützte die gefalteten Hände darauf wie ein Pfarrer in der Kirche auf die Bibel, schloss die Augen und ließ erst einmal angemessen lange Zeit verstreichen. Mit noch immer geschlossenen Augen sagte er dann zögernd, als spreche er eine Eingebung aus: »Eine Stunde vor Mitternacht brechen wir auf«, und schwieg wieder.
    »Wohin brechen wir eine Stunde vor Mitternacht auf?«, fragte Franz, Erregung schwang in seiner Stimme mit.
    Anton hätte ihn am liebsten angeschaut, aus Neugier und weil es begann, ihm Spaß zu machen, sich dieses ganze Brimbamborium auszudenken, doch er hielt weiterhin die Augen geschlossen, sich daran erinnernd, wie ihm vor ein paar Tagen jemand aus dem Dorf von einer tausendjährigen Eiche oben im Wald erzählt hatte.
    Er antwortete schließlich: »Zur tausendjährigen Eiche brechen wir auf.«
    »Und was«, Franz zögerte, seine Stimme klang jetzt vor Aufregung rau, »was machen wir bei der tausendjährigen Eiche?«
    »Wir stellen Fackeln auf und sprechen unter der tausendjährigen Eiche ein Gedicht.«
    »Was für ein Gedicht?«, wollte nicht nur Franz, das wollten nun auch die anderen HJ ler wissen.
    »Ein Gedicht über das Tausendjährige Reich«, sagte Anton, damit öffnete er wieder die Augen und sah jeden kurz, aber bestimmt an, etwas länger den Adjutanten und am längsten Franz.
    Franz wäre am liebsten vor Anton niedergekniet: Das war der Beweis! Für alle, für die ganze Truppe! Nicht der schmächtige Anton Bluhm hatte ihn besiegt, nein, der mit dem Zeichen auf der Stirn zwang ihn nieder, ein Auserwählter, ein Erleuchteter, denn nur so einer konnte die Eingebung haben, zum Erntedankfest dem Tausendjährigen Reich unter einer

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