Goldmacher (German Edition)
Rascheln, das näher kam. Auch als es ganz nahe war, öffnete sie nicht die Augen, erst als etwas Feuchtes, Kaltes ihre Hand berührte und sie gleichzeitig warmen Atem spürte. Sie war zu erschöpft, um ihre Hand zurückzuziehen, sie beugte nur den Kopf. Zwei dunkle Hundeaugen, fast vollständig von schwarzen struppigen Zotteln verdeckt, sahen sie seltsam wach an.
Jetzt erst erschrak Alexandra, da sprang der Hund ihr auf den Schoß, rollte sich zu einem Knäuel zusammen und tat, als schliefe er. Weg mit dir, wollte sie ausrufen, ihn von ihrem Schoß scheuchen und aufstehen, doch sie dachte es nur, sah auf den Hund hinunter und spürte, wie es warm wurde auf ihrem Schoß, spürte aber auch das Zittern, das von Zeit zu Zeit durch den mageren Hundekörper flog. Sie fühlte deutlich seine Knochen durch das zottelige Fell, in dem sich Staub, Baumnadeln, vertrocknete Blätter und vieles andere miteinander verklumpt hatten.
Alexandra begann langsam, vorsichtig kleine Klumpen aus seinem Fell herauszuzupfen. Der Hund rührte sich kaum, ließ es mit sich geschehen, nur hin und wieder öffnete er seine Augen zu einem kurzen Blinzeln.
Hier, unter diesem Baum, durch Plus, wie sie das zottelige, langhaarige, schwarze herrenlose Tier nennen würde, denn es war das erste Plus in ihrem Leben seit undenkbar langer Zeit, begann in Alexandras Vorstellung die Rückverwandlung vom Amselhof in den Bauernhof, der er einmal gewesen war: Sie sah sie plötzlich vor sich, die Schafe und die Ziegen, die sie, mithilfe von Plus, hier auf dem Hügel halten würde. Und vielleicht auch noch ein paar Gänse, Enten und natürlich Hühner. Und sie sah sich, wie sie die Schafe und Ziegen melken und Frischkäse herstellen würde, wie sie und Plus, diese magere Kreatur, mager wie sie, nie wieder hungern würden.
Bereits am Tag darauf, Plus war von ihr notdürftig entlaust worden, besprach Alexandra mit dem ehemaligen Gärtner, den sie auch aufgesucht hatte, um Lebensmittel als Vorschuss gegen die Apfelernte zu tauschen, die notwendigen Schritte, um den Landsitz tatsächlich in den bäuerlichen Hof zurückzuverwandeln, der er als Teil des Nonnenklosters einmal gewesen war. Wenige Wochen später weideten dann zwei Mutterschafe mit ihren Lämmern auf den ansteigenden Wiesen. Und auf dem Hügel kletterten zwei Ziegen mit ihren Zicklein herum. Mithilfe des ehemaligen Gärtners hatte Alexandra die Tiere gegen die Schmuckstücke getauscht, die sich noch in ihrem Besitz befanden.
Mehrmals am Tag pflockte sie, zusammen mit Plus, der ihr nicht mehr von der Seite wich und sich Mühe gab, ein guter Hütehund zu werden, die Tiere um. Mithilfe des Gärtners übte sie zu melken. Jetzt hatte sie keine Zeit mehr, um am Fenster zu sitzen. Trotzdem wartete sie auf Franz, manchmal hielt sie bei der Arbeit inne, als lausche sie auf seine Schritte. Und dann spitzte Plus die Ohren, hielt die Nase in den Wind und nahm Witterung auf.
Mit der bäuerlichen Bewirtschaftung des Amselhofs gewöhnte sich Alexandra daran, eine Bäuerin zu sein. Sie versorgte die Tiere, organisierte über den Gärtner den Tausch von Milch und Frischkäse gegen Brot und notwendiges Gerät, sie dachte an die Zukunft. Vor allem an die Rückkehr von Franz. Hubert war als schwer belastet eingestuft worden, er würde eine längere Haftstrafe verbüßen müssen.
Hatte sie früher einen Wecker gebraucht, so wachte sie nun jeden Morgen vor sechs Uhr auf. Als Erstes öffnete sie dann das Fenster und schaute nach dem Wetter. Sie konnte es jetzt riechen.
»Es riecht nach Schnee«, sagte sie heute zu Plus. Er schaute sie an, als hätte er sie verstanden, und schüttelte seinen zotteligen schwarzen Pelz.
Alexandra zog sich an, kämmte ihr langes Haar, flocht es zu einem Zopf, rollte ihn im Nacken ein und steckte ihn vor dem Spiegel fest und erforschte dabei ihr Gesicht: Es war ihr fremd geworden, und es erschien ihr, obwohl erst fünfundvierzig Jahre, viel älter zu sein.
Im Dunkeln stieg sie vorsichtig die Stufen der Treppe hinunter, unten wartete Plus bereits auf sie. Es war frisch und Alexandra roch noch deutlicher den Schnee, doch sie sollte sich irren, am Mittag schien die Sonne, es war Föhn und die Temperatur kletterte, obwohl Anfang November, auf über zehn Grad.
Am Nachmittag stand sie auf dem Hügel und besprach mit dem Gärtner das Winterquartier für die Tiere. Ihr Wunsch, das Gewölbe im Hügel dafür zu nutzen, war von den Amerikanern ohne Begründung abgelehnt worden. Sie hörte einen
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