Goldmacher (German Edition)
Alexandra und nannte ihn nur noch Plusplus.
Eines Morgens, Franz wollte zu seinem täglichen Lauf aufbrechen, sah er ungewöhnlich viele Militärfahrzeuge im Hof stehen. Vor dem Hügel sperrten GI s eine größere Fläche ab. Hinter der Absperrung begannen andere GI s damit, die von Efeu und Knöterich zugewachsene und mit einer Holzverschalung vernagelte Metalltür zur früheren Goldmacherei freizulegen.
Inmitten des Geschehens stand Alexandra, neben ihr Plus. Die beiden Männer in Zivil, in deutlich erkennbarer amerikanischer Zivilkleidung, wie Franz bemerkte, hielten respektvoll Abstand. Er wollte auf die Mutter zugehen, wurde aber von einem amerikanischen Leutnant, der wie aus dem Nichts plötzlich vor ihm stand, aufgefordert, ihm zu folgen. Er konnte Alexandra noch ein Zeichen geben, dann setzte er sich auf Befehl des Leutnants auf den Rücksitz des Militärjeeps.
Das Verhör, eigentlich mehr eine Befragung, habe im Beisein eines Dolmetschers in der amerikanischen Kommandantur in Feldafing stattgefunden, erklärte er Alexandra nach seiner Rückkehr. Er sei über eine Zeit und zu Personen befragt worden, an die er sich nur vage und vor allem nur aus Erzählungen erinnern konnte. Durch diese Befragung habe er von den Amerikanern mehr erfahren als sie von ihm, zum Beispiel, dass die Anlage im Hügelgewölbe niemals Gold produziert haben soll, aber auch, dass der Goldmacher ein Jude gewesen und im Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin umgebracht worden sei.
»Weißt du, was ein Konzentrationslager ist?«, fragte er Alexandra zum Schluss.
Sie glaube nichts von dem, was die Amerikaner erzählen, empörte sich Alexandra, schließlich habe sie das Gold mit eigenen Augen gesehen, und sie habe gesehen, wie der Goldmacher sich am Sonntag in der Kirche vor der Madonna bekreuzigte, was bei den Juden nicht üblich sei.
»Sie wollen uns nur noch mehr Schuld in die Schuhe schieben, um uns noch mehr wegnehmen zu können! Wozu demontieren sie denn die ganze Anlage, wenn nicht, um selber Gold herzustellen?«
Franz sah die Mutter zweifelnd an.
»Wusstest du, dass der Goldmacher nicht ein einziges Gramm Gold produziert hat und in einem Konzentrationslager umgebracht worden ist?« Das war dann auch eine der ersten Fragen, die Franz seinem Vater beim Wiedersehen nach knapp vier Jahren stellte. Hubert Münzer schaute seinen Sohn erstaunt an.
»Später«, wiegelte er mit einer flapsigen Handbewegung ab, »darüber reden wir später.«
Franz sprang auf, ging ungeduldig im kargen Besucherraum hin und her. Vieles, wenn nicht alles hing für ihn von der Antwort des Vaters ab. Deshalb hatte er keinen Weg gescheut und vor allem nicht die unendlich vielen Umwege, um von den amerikanischen Militärs eine Besuchserlaubnis zu erhalten.
Schließlich blieb Franz vor dem Vater, der auf seinem Stuhl sitzen geblieben war, stehen. Nicht einmal vier Jahre lagen zwischen dem Abschied vor seinem ersten Einsatz in Monte Cassino und dem Wiedersehen hier im Besucherraum des Internierungslagers. Für Franz lagen nicht Jahre, es lagen Welten dazwischen. Zerstörte, zerschlagene, nie aus dem damals geträumten Traum zum Leben erwachte, sondern sich in einen Albtraum verkehrte Welten.
Ganz offensichtlich nicht für seinen Vater, er hatte sich nicht verändert. Obwohl er eine Art Lagerkleidung trug, nicht wie gewöhnlich um diese Jahreszeit einen hellen Anzug aus einem etwas dickeren Tuch, hatte er ihn mit den offenen Armen und der freundlich überlegenen Miene begrüßt, als trüge er diesen hellen Anzug, als würde er ihn zu Hause in München wiedersehen und nicht hier im Lager. So, als wäre nichts passiert in diesen vergangenen Jahren.
»Setz dich«, sagte Hubert, »nun setz dich doch endlich, Franz«, forderte er seinen Sohn noch einmal in seinem wenn auch freundlichen, so doch unverkennbar ungeduldigen Befehlston auf, der hatte sich ebenfalls nicht verändert.
Franz hockte sich ihm gegenüber auf die Kante des Stuhls und erklärte ganz entschieden: »Ich will jetzt mit dir darüber reden.«
»Du hast dich verändert, Franz«, meinte daraufhin Hubert und schmunzelte, »der Krieg hat dich zum Mann gemacht.« Er musterte seinen Sohn eingehend. Franz schaute zu Boden, er wollte unter dem Blick des Vaters nicht wieder zu dem viel zu gutgläubigen Sohn schrumpfen, der er bei ihrem letzten Treffen in München noch gewesen war.
»Wir haben jetzt nichts mehr zu verlieren, Franz, wir können nur noch gewinnen!«, verkündete der Vater in
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