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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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verblüffender Siegerlaune. »Ich bin Mitte fünfzig, ein Mann in den besten Jahren, und der Beste für diese Zeit und in dieser Zeit.«
    Franz kannte diese Grundüberzeugung seines Vaters, immer und in jedem Moment, so verschieden, ja, sogar völlig gegensätzlich die Umstände auch sein mochten, der richtige Mann am richtigen Ort und zur richtigen Zeit zu sein. Der Beste eben.
    Er löste seine Augen vom Boden, er wollte dem Blick des Vaters mit provozierend skeptischer Miene begegnen, doch kaum traf ihn dessen siegessicheres Lächeln, da spürte er auch schon, wie ihn die Laune des Vaters ansteckte, so wie sie ihn auch früher immer angesteckt hatte. Ganz gegen seinen Willen rief diese altvertraute Miene die schöne Sorglosigkeit seiner Kindheit und Jugend in ihm wach, und er bemerkte, wie ihn allein das Gefühl von dieser schönen Sorglosigkeit zu erleichtern begann, ja, wie es ihm immer leichter ums Herz wurde, so als könnte es ja doch noch existieren, sein altes Zuhause!
    »Wir können jetzt nur noch gewinnen«, wiederholte der Vater, »wir alle hier sind derselben Meinung.« Hubert machte eine das ganze Lager umfassende Geste, meinte aber nur die Industriellen und ehemaligen Wehrwirtschaftsführer, die an der Heimatfront für den Endsieg des Führers gekämpft hatten und nun, soweit sie in der amerikanischen Zone überlebt hatten, hier gemeinsam auf ihre Verurteilung warteten.
    »Für die hier Internierten«, sagte Franz, »sollen Haftstrafen bis zu sechs Jahren verhängt werden, das ist eine lange Zeit.«
    Hubert schüttelte energisch den Kopf. »Das können die sich doch gar nicht leisten, uns hier sechs oder auch nur vier Jahre einzusperren. Sie brauchen uns.«
    Sie, damit meinte er die Besatzungsmächte insgesamt, hier in Bayern die Amerikaner.
    Hubert beugte sich zu Franz vor, rieb die Kuppen von Daumen und Zeigefinger wie ein Kassierer, der Geld zählt, aneinander und sagte zu ihm leise wie im Vertrauen: »Money, money, money, verstehst du.« Er senkte dann seine Stimme: »Wir machen hier jeden Tag Geschäfte, ausgezeichnete Geschäfte übrigens!« Er lehnte sich wieder zurück und zwinkerte seinem Sohn vertraulich zu.
    »Was für Geschäfte kann man denn als Inhaftierter in der Wäscherei machen?«, fragte Franz erstaunt, er wusste, der Vater arbeitete im Lager in der Wäscherei, »Geld waschen?«, witzelte er.
    »Fantasiegeschäfte«, antwortete Hubert und schaute Franz mit triumphierender Miene an. Einer der ganz großen unter den ehemaligen Wehrwirtschaftsführern habe die Truppe der Ehemaligen und auch ihn zu diesen Fantasiegeschäften angeregt.
    »Eigentlich ist das jüdische Tradition und Praxis«, erklärte Hubert, sie bestünde darin, sich gemeinsam täglich im Geschäftemachen zu üben, selbst wenn man oder gerade weil man zu echten Geschäften nicht in der Lage sei.
    »Wir wickeln hier jeden Tag Käufe und Verkäufe im alten Stil ab, um in Übung zu bleiben, erfinden aber auch neue Handelsformen. Wenn wir hier rauskommen, sind wir vorbereitet und setzen unsere Fantasiegeschäfte gemeinsam in die Tat um.«
    Sie entschlüpfte ihm einfach, die Frage, die er durch das vertraute Zuhausegefühl schon fast vergessen hatte: »Die Geschäfte mit dem Goldmacher waren dann wohl auch Fantasiegeschäfte?«
    »Nein.« In Huberts bisher freundlich überlegene, triumphal selbstbewusste Miene geriet ein mürrisch gereizter Zug. Franz kannte ihn und richtete sich instinktiv auf. Er erwartete, der Vater würde nun lospoltern und ihn zurechtweisen, er solle keine dummen Fragen stellen, doch Hubert schwieg.
    Franz blickte ihm voller Hoffnung in die Augen: »Wenn es keine Fantasiegeschäfte waren, dann hat der Goldmacher also tatsächlich Gold hergestellt?«
    »Nein, natürlich nicht«, wiederholte Hubert gereizt, »die Goldproduktion war reiner Hokuspokus. Daran hat niemand wirklich geglaubt! Außer deiner Mutter. Frauen glauben gern mal an Wunder.« Hubert lächelte belustigt.
    »Und du?« Franz hielt inne, es kostete ihn große Überwindung, diese Frage zu stellen, doch dann tat er es: »Du hast nie daran geglaubt?«
    »Woran?«
    »An die Wunderwaffe.«
    »Nein, wie kommst du nur auf die Idee?« Das belustigte Lächeln verschwand aus seinem Gesicht.
    »Nie daran geglaubt?«, wiederholte Franz.
    »Nein, absolut nicht«, bestätigte Hubert, und jetzt verhärtete sich seine Miene und in seine Augen trat jene Starre, die Franz erst als Kind, aber auch später noch fürchtete, weil sie in der Regel einen jener

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